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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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Tradition des Humanismus, der Europa geprägt hatte. Graziella ahnte, dass Winter ihren Großonkel deswegen so häufig aufsuchte, weil er seine Phantasien ungehemmt vor ihm ausbreiten konnte. Der alte Herr mochte zwar nicht in allem mit ihm einer Meinung sein, doch er hatte mit seiner Kritik an der Regierung nie hinter dem Berg gehalten. Ob christliche, sozialistische oder sonstige Politiker – für Giuseppe Antonio Monteleone hatte es sich bei ihnen stets um einen Haufen Schurken gehandelt, die nur darauf aus waren, sich selbst zu bereichern und das Volk für dumm zu verkaufen.
    Es mochte stimmen, dass nicht alles so lief, wie man es sich vielleicht erhoffte. Graziella erinnerte sich an einen Ausspruch Winstons Churchills, in dem es hieß, die Demokratie sei eine schlechte Regierungsform, aber unter allen möglichen dennoch die beste. Dieser Meinung hatte sie sich schon lange angeschlossen, und auch aus diesem Grund wäre sie am liebsten in das Zimmer ihres Großonkels geplatzt und hätte dem fetten tedesco deutlich ihre Meinung gesagt. Das Gefühl einer unbestimmten Gefahr hielt sie jedoch davon ab, und so begnügte sie sich weiter mit der Rolle einer stillen Zuhörerin.

FÜNFZEHN
    W eihbischof Winter blickte auf seine weißen Hände und strich wie verliebt über den Ring, der seinen rechten Ringfinger zierte. Eingebettet in einen breiten dicken Goldreif trug der Siegelstein scheinbar nur ein einfaches Kreuz in einem Strahlenkranz. Doch das Siegel ließ sich
drehen, und dann kam das Zeichen der Filii Martelli zum Vorschein, das Kreuz, das zum Hammer geworden war, welcher alle Feinde des Glaubens vernichtete. Der Gedanke berauschte ihn, und er blickte den Kardinal mit einem geradezu verklärten Ausdruck an.
    »Wir müssen hart sein und an unsere Mission glauben, Bruder Giuseppe! Es ist unsere Aufgabe, die verirrten Schäflein Europas um uns zu sammeln und sie gegen das muslimische Heidentum zu verteidigen. Würden wir, wie es so viele Narren fordern, den Muslimen auch noch die linke Wange hinhalten, so wäre es das Ende unseres Glaubens und der Untergang Europas. Die Türken würden uns überschwemmen – und in ihrem Gefolge die Araber, die wir jahrhundertelang mühsam ferngehalten haben! Unsere christlichen Völker würden durch die Fruchtbarkeit ihrer Weiber, die für diese Menschen doch nichts als Gebärmaschinen sind, innerhalb weniger Generationen verdrängt. Anstelle unserer geheiligten Dome würden Moscheen und deren Minarette in den Himmel ragen, und die beiden heiligsten Kirchen der Christenheit, die Basilika San Giovanni in Laterano und der Petersdom, würden das Schicksal der Hagia Sophia zu Konstantinopel teilen. Statt der heiligen Messe wäre dann nur noch das Gejaule des Muezzins zu hören.«
    Monteleone rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Ähnliche Reden hatte er im Freundeskreis schon oft gehört und sich das eine oder andere Mal ebenfalls in dieser Richtung geäußert. Doch der bedenkenlose Fanatismus, der aus Winters Worten sprach, erschreckte ihn. Seit Jahrhunderten waren die Söhne des Hammers, ihrem martialischen Namen zum Trotz, ein Debattierklub gewesen, der sich über Missstände ereiferte und seinen Einfluss nur ausgeübt hatte, wenn seine Mitglieder gleichzeitig Angehörige anderer Orden gewesen waren. Sie hatten versucht, Gesellschaften wie
Opus Dei und einige andere Gruppierungen zu lenken, deren Fundamentalismus in ihren Augen nur Stückwerk war. Aber all die anderen Orden hatten nur nach den Fleischtöpfen der Macht gestrebt, um sich nach Erreichen ihres Ziels mit den bestehenden Verhältnissen zu arrangieren. Die Söhne des Hammers jedoch hatten stets die reine Lehre verfochten, und in dieser war nicht die Rede davon, sich mit einer Kreatur wie Fiumetti zu verbünden. Vielleicht hatten sich die Zeiten doch stärker verändert, als er wahrhaben wollte, und der Kampf der Kulturen und Religionen war bereits im Gange.
    Seufzend nickte er seinem Gast zu. »Ich werde dir ein Zusammentreffen mit Fiumetti ermöglichen, allerdings nicht hier in Rom, sondern an einem abgelegenen Ort.«
    »Darum hätte ich ebenfalls gebeten. Heimlichkeit ist notwendig, da Männer wie Fiumetti nur Werkzeuge für uns sein können und keine Verbündeten. Uns eint der gemeinsame Kampf gegen den Feind aus dem Osten, und das nur auf Zeit. Sonst haben wir keine Gemeinsamkeiten mit diesem Pack.«
    Ein achtsamerer Mensch als der alte Kardinal hätte Winters Tonfall entnommen, dass die letzten Worte nur

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