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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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trotz der Tageszeit verschlafen klingende Stimme drang aus dem Lautsprecher. »Wer ist denn jetzt schon wieder da?«
    Torsten verkniff sich das »Ich«, das ihm auf der Zunge lag, sondern nuschelte nur undeutlich vor sich hin. Der Erfolg blieb nicht aus, denn der Typ, den er anscheinend aus dem Bett geholt hatte, drückte den Türöffner. Während Torsten eintrat, hoffte er für den anderen, dass dieser nicht zu lange an der Wohnungstür stehen blieb, um auf jemanden zu warten, der nicht kommen würde.
    Er fuhr mit dem Aufzug in den fünften Stock, wo Dr. Normann laut Klingelschild wohnen sollte. Bereits der Anblick des Flurs sagte ihm, dass der Arzt und seine Nachbarn nicht zu den Ärmsten zählten. Wände und Decken waren mit Stuck verziert und gewiss erst kürzlich restauriert worden, und neben dem Aufzug hing ein surrealistisches Kunstwerk. Der
Mensch, von dem es stammte, hatte scheinbar wahllos dreieckige Blechplatten aneinandergelötet. Als Torsten jedoch halb darum herumging, entdeckte er, dass es sich um eine liegende Frau handeln sollte. Er klingelte energisch bei dem Arzt, ohne dass sich in dessen Wohnung etwas tat.
    Damit war Torsten an einem Punkt angelangt, an dem er entweder gehen oder sich wieder einmal vom Pfad der Legalität verabschieden musste. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Er stellte sich so vor die Tür, dass keiner, der zufällig vorbeikam, sehen konnte, was er tat, und zog eine Art Spachtel aus der Tasche, den er nicht zufällig bei sich trug. Es funktionierte wie erhofft, denn die Tür war nur ins Schloss gezogen worden und nicht versperrt. Die Kette war ebenfalls nicht vorgelegt, so dass Torsten nicht mehr als zehn Sekunden brauchte, um eintreten zu können.
    Der lange Flur war mit rotem Teppichboden belegt, und an der Wand hingen Werke moderner Künstler, denen Torsten kaum etwas abgewinnen konnte. Auf dem zierlichen Schuhschränkchen stand eine Nachbildung der Davidstatue von Michelangelo, und im Wohnzimmer entdeckte er die Figur eines nackten Mannes. Ansonsten war niemand in dem Raum zu finden. Das galt auch für das Schlafzimmer des Arztes, das die lebensgroßen Fotos zweier junger, ebenfalls unbekleideter Männer zeigte, die sich umarmten.
    An der sexuellen Ausrichtung dieses Doktors brauche ich wohl nicht herumzurätseln, dachte Torsten, verbot sich dann aber weiteren Spott. Ein Mann, der sich so offen zu seiner Neigung bekannte, war ihm weitaus lieber als jener Ausbilder bei der Bundeswehr, der ihm – schon etwas alkoholisiert – beim Duschen in eindeutiger Weise zwischen die Beine gegriffen und ihm ein entsprechendes Angebot gemacht hatte. Torsten hatte ihn abfahren lassen und war danach von dem Kerl übel schikaniert worden. Der Situation war er erst entkommen,
als er sich freiwillig für den Einsatz im Sudan gemeldet hatte und abgereist war. Nach seiner Rückkehr hatte er erfahren, dass der Unteroffizier einige Wochen später an den Falschen geraten war. Ein Rekrut hatte ihn nach einem ähnlichen Übergriff fürchterlich vermöbelt und war dafür disziplinarisch bestraft worden. Allerdings hatte es auch den Ausbilder erwischt, denn etliche seiner Opfer, die zunächst aus Scham oder Angst geschwiegen hatten, waren nun zu einer Aussage bereit gewesen.
    Im Nachhinein ärgerte Torsten sich, dass er dem Unteroffizier nicht selbst zu ein paar dunkelblauen Augen verholfen hatte, aber er wusste, dass es letztlich so besser gewesen war. Ohne den Einsatz im Sudan hätte er nie die Chance erhalten, dem MAD beizutreten. Jetzt war er Leutnant mit dem Recht, im Rang über ihm stehenden Bundeswehroffizieren Befehle zu erteilen.
    Während seine Gedanken für einige Augenblicke in der Vergangenheit weilten, kontrollierte Torsten die Küche und die kleine Abstellkammer, die zur Wohnung gehörten. Auch hier gab es nichts Besonderes zu entdecken. Wenn der Arzt ausgegangen war, dann nur, um bald wiederzukommen, denn auf dem Tisch stand noch ein volles Glas Rotwein. Er musste es rasch abgestellt haben, es war übergeschwappt und hatte eine kleine Lache auf dem Tischtuch hinterlassen.
    Mit einem Mal hielt Torsten inne. Der Fleck auf dem Tischtuch war bereits eingetrocknet, also konnte der Wein nicht innerhalb der letzten Stunden verschüttet worden sein. Ein rascher Blick in den Flur zeigte ihm, dass der Schlüssel an dem Brettchen neben der Tür hing.
    Nervös geworden näherte Torsten sich dem Badezimmer. Er öffnete die Tür mit einem Ruck und stieß einen obszönen Fluch aus.
    Der Mann,

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