Tallinn-Verschwörung
er für lohnende Ziele hielt. Am liebsten hätte er sich das Maximilianeum, den Bayerischen Landtag, vorgenommen, möglichst bei Vollversammlung. Hoikens war der Vertreter einer neuen Generation, die sich nicht mehr die Kameraden früherer Kampfzeiten zum Vorbild nahm, sondern ihre Pläne und Handlungen nach dem Vorbild der islamischen Terroristen um Osama bin Laden ausrichtete.
In dem Augenblick hielt Hoikens die Samstagsausgabe einer bekannten Boulevardzeitung hoch. »Ist das der Bericht über die junge Frau, die euch über den Weg gelaufen ist?« Er wies dabei auf die große, schreiend rote Überschrift: »Junge Münchner Ärztin in den Tod gestürzt! Kollegen stehen vor einem Rätsel!«
Feiling nickte.
Hoikens begann zu lesen und grinste dabei ein paarmal über die Borniertheit der Münchner Polizei, die unbeirrt an einen Selbstmord der jungen Frau glaubte. Plötzlich stutzte er und starrte mit großen Augen das Foto an, das einer der Angestellten der Neuperlacher Klinik Andreas Bewerbungsunterlagen entnommen und der Presse zur Verfügung gestellt hatte. Die junge Frau kam ihm bekannt vor, doch erst, als er ihren Vornamen las, erinnerte er sich an das Bild, das sein einstiger Kamerad Torsten Renk damals im Sudan im Spind hängen hatte. Er stellte das Glas ab, aus dem er gerade hatte trinken wollen, sah aber nicht genau hin, so dass es über den Tischrand kippte und klirrend am Boden zerschellte.
Feiling zuckte zusammen. »Was ist denn jetzt los?«
Hoikens sah ihn vorwurfsvoll an und tippte sich gegen die Stirn. »Ihr hirnlosen Idioten! Wisst ihr eigentlich, wen ihr da umgebracht habt? Das war die Freundin von Torsten Renk. Jetzt haben wir diesen Bluthund am Hals! Der wird sich auf unsere Spur setzen und nicht eher aufhören, bis er uns ausgeräuchert hat.«
»Pah! Bis jetzt hat es noch keiner geschafft, uns aufzudecken. « Feiling tat den Einwand seines Gefolgsmanns mit einer ärgerlichen Handbewegung ab.
»Bislang hatten wir es auch nicht mit einem wie Torsten Renk zu tun. Ich kenne den Kerl! Eine Stange Dynamit mit brennender Lunte ist harmlos gegen den. Er hat im Sudan die Schwarzen so kaltblütig über den Haufen geschossen, als wären es Ratten.«
»Was sie ja auch sind!«, kommentierte Feiling barsch. Er hasste es, kritisiert zu werden, zumal nicht er den Mord angeordnet hatte, sondern der Monsignore. Sollte Renk sich doch auf dessen Spur setzen. Er gab diesen Gedanken aber sofort wieder auf. Als Kirchenmann stand Kranz jenseits allen Verdachts.
»Ich hätte mir diesen Kerl längst vornehmen müssen!« Hoikens’ Stimme schwankte, und Feiling sah zu seiner Überraschung, dass sein Stellvertreter, von dem er geglaubt hatte, er würde selbst dem Teufel ins Maul spucken, Angst vor einem Mann hatte, der in seiner Gegenwart ein paar Eingeborene in Afrika niedergeschossen hatte.
»Davon solltest du die Finger lassen, Hajo. Es kann nämlich jederzeit ein neuer Auftrag für dich kommen. Florian soll diese Sache erledigen.«
»Der Pavian? Den verschluckt Renk doch als Vorspeise!«
Als hätte der Kahlkopf gehört, dass über ihn geredet wurde, trat er in diesem Moment auf die Terrasse hinaus. Er
blieb neben Hoikens’ Liege stehen und lächelte breit. »Es wird dich interessieren: Irgendein hirnloser Trottel ist hinter dir her. Ich habe es vorhin von einigen Kameraden erfahren. Er nennt sich Renk!«
Hoikens und Feiling sahen einander an. »Verdammt! Wie kommt der ausgerechnet auf dich?«, platzte der Naziführer heraus.
»Es ist ein Schuss ins Gebüsch, um uns zu verunsichern. Der Kerl muss mehr über die Sache wissen, als wir ahnen. Wahrscheinlich ist seine Freundin nicht zufällig in dieses Haus eingezogen. Der MAD und der Verfassungsschutz müssen Verdacht geschöpft haben!«
»Das ist unmöglich!« Feiling winkte ab, doch ihm schien nicht ganz wohl bei dem Gedanken. »Dieser Renk muss sofort ausgeschaltet werden. Das ist dein Job, Florian.«
»Alles klar, Chef!« Der Glatzkopf zauberte grinsend eine tschechische CZ 75 unter seiner Weste hervor und kontrollierte das Magazin.
Hoikens hob kurz den Kopf und sah ihn spöttisch an. »Wenn ich dir einen Rat geben darf, Pavian: Versuche es nicht von vorne!«
SECHSUNDZWANZIG
D ie vierte und die fünfte Wohnung entsprachen von Schnitt und Ausstattung her Andreas Apartment. Offensichtlich gehörten alle Wohnungen dem gleichen Besitzer, und Torsten fragte sich, wie seine Freundin dazu gekommen war, hier einzuziehen. Seines Wissens hatte sie nie Kontakt zu
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