Tallinn-Verschwörung
Eigentlich war ihm nicht danach, etwas zu essen, doch er musste in Form bleiben.
Lustlos briet er sich eine Scheibe Leberkäse mit einem Spiegelei und setzte sich an den Tisch. Während er aß, wünschte er sich ein paar Bratkartoffeln dazu. Die zu machen hätte jedoch Arbeit bedeutet, und dazu hatte er noch weniger Lust.
Irgendwann schaltete er den Fernseher aus und legte sich ins Bett. Nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte, lauschte er eine Weile den Geräuschen des nächtlichen Hauses und
dachte dabei an Andrea. Eigentlich hatte er überlegen wollen, auf welchem Weg er ihrem Mörder auf die Spur kommen konnte, doch dann tauchte er in die Erinnerungen an die vielen schönen Stunden ein, die er mit ihr verbracht hatte, und dämmerte weg.
ACHTUNDZWANZIG
A ndrea war ihm zu weit voraus. Obwohl Torsten schneller rannte als je zuvor, holte er kaum auf. Doch als er ihr zurufen wollte, auf ihn zu warten, brachte er nur ein Krächzen hervor. Keuchend hastete er weiter, sah sie wie einen Schatten zwischen den Bäumen des Waldes verschwinden und fragte sich für einen kurzen Moment, weshalb sie nicht gemeinsam losgegangen waren.
Die Hitze machte Torsten ebenso zu schaffen wie der Staub, den der Wind mit sich trug. Er hustete und sah auf einmal die kargen, sonnendurchglühten Berge Afghanistans um sich. Dieses Bild verschwand aber schnell wieder, und er befand sich wieder in dem steil ansteigenden Hochwald über Lenggries. Der Wind hier war zwar auch warm, aber er blies nicht so schneidend wie am Hindukusch. Jetzt erinnerte Torsten sich wieder. Andrea und er hatten eine Bergwanderung machen wollen. Selten genug waren sie dazu gekommen, gemeinsam etwas zu unternehmen. Daher freute es ihn doppelt, dass es heute endlich geklappt hatte.
Wenn Andrea nur nicht so weit voraus wäre! Jetzt hatte er sie auch noch aus den Augen verloren. Er rannte weiter, erreichte kurz darauf eine Weggabelung und fragte sich, in welche Richtung seine Freundin sich gewandt haben mochte.
Da hörte er ihr Lachen hinter sich und drehte sich rasch
um. Andrea stand einfach da, die Schulter gegen eine der hoch aufragenden Tannen gelehnt, und in ihren Augen tanzten kleine Spottteufelchen.
»Deine Kondition war auch schon einmal besser, mein Schatz. Ich hoffe, heute Abend hältst du durch.« Das Letzte klang ein wenig anzüglich, denn durch die Tücken seines Dienstplans kamen sie nicht so oft zusammen ins Bett, wie sie es sich wünschten.
An diesem Abend aber sollte Andrea keinen Grund finden, sich zu beschweren, schwor Torsten sich, schloss sie in seine Arme und küsste sie hungrig.
Andrea knabberte lustvoll an seinem Ohr. »Wenn das so ist, sollten wir besser nicht bis zum Abend warten. Was meinst du?«
»Du hast recht – wie immer!« Täuschte er sich, oder huschte ein leichter Schatten über ihr Gesicht? Besonders geschickt war diese Bemerkung wirklich nicht gewesen. Immerhin hatte Andrea ihn schon mehrfach aufgefordert, seinen Dienst beim MAD zu quittieren und ein normaler Kasernensoldat zu werden. Es hatte nicht geholfen, ihr zu erklären, dass er auch dann für Tage und teilweise sogar für Wochen zu Kursen und zu Manövern wegfahren müsste. Außerdem würde es trotzdem Auslandseinsätze geben, die ihn ein Vierteljahr und länger von ihr trennen würden. Die einzige Alternative wäre, die Bundeswehr zu verlassen. Doch es gefiel ihm dort, und der Gedanke, in der freien Wirtschaft irgendeinen Sesselrutscher als Chef über sich zu sehen, war nicht gerade erhebend.
Torsten beschloss, sich den Tag nicht durch solche Gedanken verderben zu lassen. Fröhlich hob er Andrea auf und drehte sich mit ihr unter den Bäumen wie in einem Tanz. Sie lachte fröhlich, und ihm war, als würden dabei silberne Glocken erklingen.
Kurz darauf hatten sie den Bergwald hinter sich gelassen und sahen die Almweide in leuchtendem Grün vor sich. Mit einem übermütigen Juchzen wandte Torsten sich an Andrea. »Die Farben sind heute besonders intensiv, findest du nicht auch?«
Sie stimmte ihm zu und zeigte dann auf die behäbig wirkende Hütte, die ganz aus Baumstämmen errichtet worden war und ein Dach aus flachen Steinplatten hatte.
»Wir haben die Alm und die Hütte heute ganz exklusiv für uns und können tun und lassen, was wir wollen!« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, streifte sie ihre Bluse und ihren BH ab und zog anschließend auch ihre Jeans und ihren Slip aus.
»Komm! Worauf wartest du noch?«, fragte sie.
Torsten sah sich misstrauisch um. Doch
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