Taltos
eintreiben und Problemquellen aufdecken und ein Auge auf seine Leute werfen. Sorgfältig legte ich einen Teil des Geldes, das ich verdiente, beiseite, mit der Absicht, es in etwas zu investieren, das mir weiteres Geld einbringen würde. Vielleicht sogar etwas Legales.
Ungefähr einen Monat, nachdem ich bei Welok
angefangen hatte, besuchte ich meinen Großvater in Süd-Adrilankha, wo ich ein Menschenmädchen namens
Ibronka kennenlernte. Sie hatte das längste, glatteste, schwärzeste Haar, das ich je gesehen hatte, und Augen, in denen man ertrinken konnte. Und ich hatte meine Investition noch nicht getätigt. Ach, was soll’s.
Jetzt, wo ich so weit gegangen war, konnte ich keinen Rückzieher mehr machen. Wir würden zu dritt gehen 252
oder gar nicht, und jetzt gab es auch eine Aussicht auf Erfolg. Wenn mir in dem Augenblick nach Beten zumute gewesen wäre, hätte ich zu meinem Großvater gebetet, nicht zu Verra, denn seine Anleitung wäre nützlicher gewesen.
Allerdings glaubte ich nicht, daß er jemals versucht hatte, eine Beschwörung zu erfinden. Scheiße, wenn die Zauberkunst hier funktionieren würde, hätte Morrolan den gewünschten Gegenstand ganz einfach von meiner Wohnung aus hier erscheinen lassen können. Aber in dem Fall hätten wir uns auch einfach hier rausteleportieren können. Darüber nachzudenken war sinnlos.
Ich wählte mir einen Punkt aus, von dem ich den Zyklus überblicken konnte. Warum? Ich bin mir nicht sicher. Er schien mir einfach passend, und solche Eindrücke sind für einen praktizierenden Hexer von grundlegender Bedeutung.
Während ich meditierte, nahm ich das Kelschblatt in den Mund und kaute darauf herum, entspannt, in
Vorbereitung. Als es mir, so gut es konnte, geholfen hatte, spuckte ich es aus.
Ich schnallte meinen Beutel ab, machte ihn auf und setzte mich auf den Boden. Dabei fragte ich mich, ob die Götter mich wohl aufhalten würden, fand dann aber, daß sie, wenn sie mich sehen würden, schon etwas getan hätten, sobald ich die Utensilien für die Beschwörung ausgebreitet hatte. Es war lustig, daß ich außerhalb ihres Blickfeldes saß und dabei gleichzeitig in ihrem Hinterhof, wenn ich so sagen darf.
Ich sah mir den Zyklus an und versuchte, meinen Mut zusammenzunehmen.
Warten würde alles nur noch schwieriger machen.
Ich atmete tief durch und begann mit der
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Beschwörung.
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Ich erinnere mich dunkel, wie ein kleines Mädchen an meiner Schulter rüttelt und sagt: »Nicht einschlafen.
Du wirst sterben, wenn du einschläfst. Bleib wach.«
Als ich die Augen öffnete, war niemand da, also kann es ein Traum gewesen sein. Andererseits muß man schlafen, um zu träumen, und wenn ich schlief…
Ich weiß es nicht.
Klatsch klatsch, tock tock.
Was das war, wußte ich. Meine Augen öffneten sich.
Ich sagte laut: »Ist schon gut. Ich bin wieder da.«
Ich glaube nicht, daß ich mich beim Aufstehen jemals so sehr anstrengen mußte. Als es mir schließlich gelungen war, fühlte ich mich so, wie es Aliera ergangen sein mußte, und ich habe mir wirklich gewünscht, ich hätte noch mehr Kelschblätter gehabt. Die Welt drehte und drehte sich um mich. Ist es nicht einfach furchtbar, wenn sie das tut?
Ich fing zu gehen an, dann hörte ich etwas weit, weit weg. Allmählich klang es immer eindringlicher, also hielt ich inne und hörte zu. Das war Loiosh, der sagte: »Boß!
Boß! Die sind doch da drüben, in der anderen Richtung.«
Ich wandte mich um, was mir nicht so leicht fiel, wie man glauben könnte, und stolperte in die Richtung, die Loiosh als die richtige bezeichnet hatte. Es kam mir wie Stunden vor, bis ich sie dort fand, wo ich sie
sitzengelassen hatte. Morrolan bemerkte mich als erster, und ich sah ihn auf mich zukommen. Jede seiner
Bewegungen schien mir verlangsamt, wie auch die Alieras, als sie sich erhob und auf mich zukam. Ich 255
sackte zusammen, anscheinend auch ganz langsam, und die beiden stützten mich.
»Vlad, bist du in Ordnung?«
Ich nuschelte irgendwas und hielt mich an ihnen fest.
»Vlad? Hat es geklappt?«
Geklappt? Was soll geklappt haben? Ach, ja. Ich hatte ja noch mehr zu tun. Moment, die Phiole… nein, ich hielt sie in der Hand. Gut gemacht, Vlad. Ich hielt sie hoch.
Eine dunkle, dunkle Flüssigkeit in einem durchsichtigen Gläschen mit einem Gummikorken.
»Was ist das?« wollte Aliera wissen.
Eine Antwort zu formulieren schien mir viel zu
schwierig. Ich sammelte meine Kräfte, sah Morrolan an und sagte: »Mach den Arm
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