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Taltos

Taltos

Titel: Taltos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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es geschehen? Morgen? In tausend Jahren?
    Jeder, den ich gefragt habe, besteht darauf, daß dieses Ding der Zyklus in jeder bedeutungsvollen Hinsicht ist und nicht bloß seine greifbare Manifestation. Das ergibt für mich keinen Sinn, falls das bei euch anders ist, sei die Macht gewissermaßen auf eurer Seite.
    Ich warf Morrolan und Aliera einen Blick zu, auch sie starrten mit ehrfürchtigem Gesicht auf den Zyklus.
    »Boß, das Kelsch wird nicht ewig anhalten.«
    »Hast recht, Loiosh. Danke.«
    Ich sagte: »Na denn, Leute. Was wir auch vorhaben, am besten legen wir jetzt mal los.«
    Sie sahen erst mich an, dann einander, dann den Boden, dann wieder den Zyklus. Keiner von uns wußte, was zu tun war. Ich wandte ihnen den Rücken zu und ging wieder zurück, um mir das Meer anzusehen.

    246
    Ich will nicht behaupten, daß mich Raiets Augen in jenem letzten Moment – als der Morgantidolch in ihn fuhr – im Schlaf verfolgen, auch nicht sein Schrei, als seine Seele vernichtet wurde. Er hat verdient, was ihm widerfahren ist, und fertig.
    Aber ich habe mich nie daran gewöhnen können, diese Waffe anzurühren. Sie ist das endgültige Raubtier, sie haßt alles und jeden und hätte genauso gern mich an Raiets Stelle zerstört. Morgantiwaffen lassen mir vor Angst das Blut gefrieren, und es wird mir nie Spaß machen, mit ihnen zu ›arbeiten‹. Aber sie gehören wohl auch dazu, nehme ich an.
    So oder so, die ganze Geschichte hat mir einige Tage ein unruhiges Gewissen beschert. Wie gesagt, nicht wegen Raiet, aber irgendwie wurde mir dadurch wieder in Erinnerung gerufen, was ich über ein Jahr lang verdrängt hatte: daß man mich bezahlt, um Leute zu töten.
    Nein, ich wurde bezahlt, um Dragaeraner zu töten; Dragaeraner, die mir mehr als siebzehn Jahre das Leben zur Hölle gemacht hatten. Warum sollten sie mir das Leben dann jetzt nicht versüßen? Loiosh war, muß ich sagen, bei dieser Frage gar keine Hilfe. Er hatte die Instinkte eines Aasfressers und gelegentlichen Jägers.
    Ich hatte wirklich keine Ahnung, ob ich da
    Rechtfertigungen erschuf, die eines Tages
    zusammenbrechen würden, oder nicht. Aber ich konnte mir nur ein paar Tage Nachdenken erlauben. Dann habe ich es aus meinen Gedanken verbannt, und um ehrlich zu sein hat es mich seither nicht mehr belastet.
    Ich weiß nicht, vielleicht wird es das irgendwann, und wenn ja, dann kümmere ich mich darum.

    247
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort gestanden habe, eine Stunde vielleicht, bevor Morrolan und Aliera hinter mir auftauchten. Dann haben wir uns zu dritt eine Weile das Brechen der Wellen angesehen. Hinter uns, dort, wo wir hergekommen waren, lagen die Pfade der Toten und die Hallen des Jüngsten Gerichts. Zur Rechten, hinter dem Zyklus, ein dunkler Wald, durch den, für ein paar von uns, der Weg nach Hause führte.
    Irgendwann sagte Aliera: »Ich werde diesen Ort nicht ohne Morrolan verlassen.«
    »Du bist eine Närrin«, meinte Morrolan.
    »Und du bist ein Narr, weil du hierhergekommen bist, wo du doch gewußt hast, daß du nicht lebend wieder gehen kannst.«
    »Mir fällt da noch jemand ein, Loiosh.«
    »Noch zwei, Boß.«
    »Das tut jetzt nichts zur Sache«, fand Morrolan.
    »Trotzdem gibt es keinen Grund, warum wir dieses Risiko umsonst eingegangen sein sollten.«
    »Doch, den gibt es. Ich möchte es so.«
    »Es ist doch absurd, daß du dich umbringst, bloß weil
    –«
    »Aber das werde ich tun. Niemand, absolut niemand opfert für mich sein Leben. Das lasse ich nicht zu.
    Entweder wir gehen beide, oder wir bleiben beide hier.«
    Von rechts wehte mir ein kühler Wind ins Gesicht. In dieser Richtung lag die Heimat. Ich schüttelte den Kopf.
    Morrolan hätte es eigentlich wissen müssen, daß man von einem Dragaeraner keine Vernunft erwarten kann, erst recht nicht von einer Dragonlady. Andererseits war er ja selbst einer von denen.
    Aliera sagte: »Geh du zurück, Vlad. Ich danke dir für 248
    deine Hilfe, aber deine Aufgabe ist erfüllt.«
    Ja, Morrolan war ein Dragonlord und Dragaeraner.
    Außerdem war er ein Wichtigtuer und eine unglaubliche Nervensäge. Warum also verspürte ich so einen
    Widerwillen, ihn einfach zurückzulassen? Aber was konnte ich sonst tun? Mit ihm zusammen gehen stand außer Frage, und ich hielt es, im Gegensatz zu den anderen, für sinnlos, unnütz die Form zu wahren.
    Morrolan und Aliera sahen mich an. Ich wich ihren Blicken aus. »Geh, Vlad!« sagte Morrolan. Ich rührte mich nicht.
    »Du hast ihn gehört, Boß. Laß uns von

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