Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Freund«, fügte Tobin hinzu. »Jeder nennt ihn Ki.«
Tobin erkannte den Ansatz eines Lächelns um die Mundwinkel des Prinzen, als er von Orun zu Ki schaute. »Willkommen, Ki. Lass uns für dich einen Platz am Tisch der Knappen suchen. Fürst Orun, gewiss sehnt Ihr Euch nach einem so langen Ritt nach Eurem Bett. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
Der Kanzler wirkte alles andere als erfreut, doch er konnte sich dem Prinzen nicht widersetzen. Mit einer letzten Verneigung stapfte er aus dem Raum.
Korin sah ihm kurz nach, dann bedeutete er Tobin und Ki, ihm zum Banketttisch zu folgen. Er schlang einen Arm um Tobins Schultern und fragte leise: »Was hältst du von der Wahl meines Vaters für deinen Vormund?«
Tobin zuckte mit den Schultern und erwiderte vorsichtig: »Er ist unhöflich.«
Korin roch stark nach Wein, und Tobin fragte sich, ob er ein wenig betrunken war. Allerdings wirkten seine Augen klar und scharfsinnig, als er warnte: »Ja, aber er ist auch mächtig. Nimm dich vor ihm in Acht.«
Ki, der dicht hinter ihnen ging, zog beunruhigt den Kopf ein und fragte: »Verzeiht, wenn ich unaufgefordert das Wort ergreife, mein Prinz, aber gehe ich recht in der Annahme, dass der König jemand anderen als Tob… als Prinz Tobins Knappen vorgesehen hat?«
Korin nickte, und Tobins Mut sank. »Da du so weit vom Hof entfernt aufgewachsen bist, hielt mein Vater es für das Beste, jemanden damit zu betrauen, der die Sitten und Bräuche hier kennt. Er hat die Wahl Fürst Orun überlassen, der sich für Sir Moriel entschied, den dritten Sohn von Fürstin Yria. Seht ihr den Burschen an dem niedrigen Tisch mit den weißen Augenbrauen und einer Nase gleich dem Schnabel eines Spechts? Das ist er.«
Mittlerweile hatten sie den Balkon erreicht, und Tobin sah den Tisch der Knappen rechts der langen Festtafel. Korins Beschreibung erwies sich als zutreffend. Moriel stolzierte bereits herbei, um sich vorzustellen. Er besaß etwa Kis Alter und Größe, ein schlichtes Gesicht und weißlich blondes Haar.
Tobin wollte gerade zu einem Einwand ansetzen, aber Korin hielt ihn mit einem Lächeln davon ab. »Ich sehe schon, wie die Dinge stehen.« Er zwinkerte Tobin zu und flüsterte. »Unter uns gesagt, ich habe Moriel immer für eine schleimige Kröte gehalten. Wir deichseln das schon.«
Moriel zeichnete sich auf Anhieb aus, indem er sich tief vor Ki verbeugte. »Prinz Tobin, als Euer Diener und Knappe …«
»Nein, das ist sein Knappe.« Korin zog Moriel am Arm in aufrechte Haltung zurück und deutete auf Tobin. »Das ist Prinz Tobin. Und da du nicht zwischen einem Knappen und einem Prinzen unterscheiden kannst, überlassen wir die Aufgabe besser jemandem, der dazu in der Lage ist.«
Moriels blasses Antlitz rötete sich. Diejenigen am Tisch, die nah genug saßen, um den Wortwechsel gehört zu haben, brachen in Gelächter aus. Moriel wiederholte seine Verneigung linkisch vor Tobin. »Verzeiht, Prinz Tobin. Ich … Ich meine, ich konnte nicht …«
Mittlerweile starrten die anderen sie an, sowohl die Adeligen als auch die Dienerschaft. Tobin lächelte den kasteiten Jungen an. »Schon gut, Sir Moriel. Mein Knappe und ich sind schließlich gleich staubig.«
Das brachte ihm weiteres Gelächter der anderen ein, doch Moriel errötete nur noch mehr.
»Meine Gefährten und Freunde«, ergriff Korin das Wort, »ich stelle euch hiermit meinen lieben Vetter vor, Prinz Tobin von Ero, der endlich gekommen ist, um sich uns anzuschließen.« Alle erhoben und verbeugten sich. »Und seinen Knappen, Sir Ki von – «
»Ich denke, dass wisst Ihr doch besser, Herr«, grollte eine tiefe Stimme hinter ihnen. Ein vierschrötiger Mann mit einer langen, grauen Mähne trat auf den Balkon und bedachte Prinz Korin mit einem schiefen Blick. Sein kurzes, schlichtes Gewand und der breite Gürtel entsprachen nicht der Aufmachung eines Adeligen, dennoch verbeugten sich alle außer Korin vor ihm.
»Ich glaube, Euer Vater hat Fürst Orun mit der Wahl eines Knappen für Prinz Tobin betraut«, sagte er.
»Aber wie Ihr seht, Meister Porion, hat Tobin bereits einen Knappen, der von seinem Vater an ihn gebunden wurde«, entgegnete Korin.
Dies war also der königliche Waffenmeister, von dem Tharin in so hohen Tönen gesprochen hatte. Korin mochte sich nicht vor ihm verneigt haben, aber Tobin fiel dennoch auf, dass er dem Mann eine Achtung entgegenbrachte, die er gegenüber Orun nicht gezeigt hatte.
»Habe ich gehört. Fürst Orun war gerade in meinen Gemächern und hat
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