Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Im Inneren des Gebäudes führte sie ein steif wirkenden Bediensteter mit einem weißen Bart einen langen Flur entlang.
Tobin sah sich mit großen Augen um. Wundersam leuchtende Muster bedeckten die Wände, und in der Mitte des breiten Steinganges befand sich ein seichtes Becken, in dem bunte Fische zwischen plätschernden Springbrunnen schwammen. Solchen Pomp hätte er sich nie auszumalen vermocht.
Sie gingen durch eine Reihe riesiger Räume mit Decken so hoch, dass sie sich in Schatten verloren. Leicht verblasste, aber herrliche Wandgemälde zierten die Mauern, und die Einrichtung glich Wunderwerken aus Schnitzkunst und Einlegearbeiten. Wohin Tobin auch schaute, erblickte er Gold und Juwelen. Ki, der unter seiner Last von Taschen gebückt lief, schien ähnlich überwältigt.
Nach mehreren Biegungen öffnete der alte Mann eine knarrende, schwarze Tür und ließ Tobin in ein luftiges Schlafgemach, halb so groß wie die Halle in der Feste. Ein hohes Bett mit schwarzen und goldenen Vorhängen stand auf einer erhöhten Plattform in der Mitte des Raumes. Dahinter befand sich ein Balkon, der die Stadt überblickte. Die Wände waren mit verblassten Jagdszenen bemalt. In dem Zimmer roch es angenehm nach dem Meer und den riesigen Kiefern, die durch ein Fenster zu erkennen waren.
»Dies ist Euer Zimmer, Prinz Tobin«, teilte ihm der Mann mit. »Prinz Korin wohnt im Gemach daneben.«
Ki stand mit großen Augen da, bis der Mann ihn zu einem zweiten, kleineren Zimmer im hinteren Bereich führte, wo Kleiderschränke und Truhen standen. Daneben befand sich eine Nische, die ein zweites, gleich einem Regal in die Wand eingebautes Bett enthielt, genauso fein bezogen wie das erste, doch Tobin erinnerte der Ort zu sehr an die Ruhestätte seiner Mutter.
Orun scheuchte sie wieder hinaus, und sie folgten den Geräuschen von Musik und ausgelassenem Gelächter zu einem noch größeren Raum voller Unterhaltungskünstler jeder Art. Da waren Spielmänner, halb nackte Akrobaten, Jongleure, die Bälle, Messer, brennende Fackeln und sogar Igel warfen, und ein Mädchen in einem Seidenhängekleid, das mit einem Bären an einer Silberkette tanzte. Eine schillernde Gesellschaft junger Herren und Damen saß auf einer erhöhten Plattform auf einem Balkon am gegenüberliegenden Ende des Raumes. Selbst die unscheinbarsten von ihnen waren prunkvoller gekleidet als Tobin je in seinem Leben. Plötzlich wurde er sich unangenehm der dicken Staubschicht auf seinen Reisegewändern bewusst.
Die Speisenden schienen den Unterhaltungskünstlern kaum Beachtung zu schenken, sondern redeten und scherzten über den Resten ihres Festmahls untereinander. Zwischen ihnen eilten Diener mit Tellern und Krügen umher.
Tobins Eintreten jedoch erregte ihre Aufmerksamkeit. Ein schwarzhaariger Junge, der in der Mitte des Tisches saß, sprang plötzlich mit einer Fechterflanke darüber und schritt ihnen durch den Raum entgegen. Er war ein stämmiger Bursche von etwa fünfzehn Jahren mit kurzem, lockigem schwarzem Haar und vergnügten, dunklen Augen. Sein scharlachroter Rock war mit Gold bestickt. Am Goldgriff eines Dolchs an seinem Gürtel und an einem kleinen Schmuckstück, das von einem Ohr baumelte, funkelten Rubine.
Tobin und Ki verneigten sich vor ihm so tief wie ihre Begleiter, zumal sie vermuteten, dass Prinz Korin vor ihnen stand.
Der ältere Junge musterte sie einen Augenblick und blickte unsicher von Tobin zu Ki. »Vetter, bist du das, der endlich eingetroffen ist?«
Tobin richtete sich als Erster auf und klärte den Irrtum. »Sei gegrüßt, Prinz Korin. Ich bin dein Vetter Tobin.«
Korin lächelte und streckte die Hand aus. »Man hat mir gesagt, ich sei bei deinem Namenstag gewesen, aber ich erinnere mich nicht daran. Ich bin froh, dich endlich richtig kennen zu lernen.« Er blickte auf Kis immer noch verneigten Kopf hinab. »Und wer ist das?«
Tobin berührte Ki am Arm, woraufhin sich sein Freund ebenfalls aufrichtete. Doch bevor er antworten konnte, drängte sich Fürst Orun in die Unterhaltung.
»Das ist Prinz Tobins Knappe, Hoheit, der Sohn eines der niedrigeren Ritter von Fürst Jorvai. Anscheinend hat Herzog Rhius ihn ohne Eures Vaters Wissen ausgewählt. Ich hielt es für das Beste, Euch zu erklären, dass …«
Ki sank vor dem Prinzen auf ein Knie und legte die linke Hand auf den Griff seines Schwertes. »Mein Name ist Kirothius, Sohn von Sir Larenth von Eichberggut, einem Krieger im Dienste Eures Vaters in Mycena, mein Prinz.«
»Und mein guter
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