Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
rief Korin zu Tobin. »Dein Vormund ersucht heute Nachmittag um unsere Gesellschaft. Ich denke, wir müssen wohl hingegen. Du kommst auch mit, Caliel. Ich bin sicher, Orun kann Platz für dich schaffen.«
»Verdammt«, seufzte Ki.
»Du wirst hier eine angenehmere Zeit verbringen als ich dort«, murrte Tobin. »Was will er jetzt schon wieder von mir? Ich war doch erst vor drei Tagen bei ihm.«
Im Verlauf des trostlosen Nachmittags trafen weitere Boten ein und beriefen weitere Jungen fort. Kanzler Hylus verlangte nach seinem Enkel Nikides, der Ruan mitnahm. Lutha lag mit Fieber im Bett, und Barieus kümmerte sich um ihn. Da Ki infolgedessen nur mit Mago und herzlich wenig Verbündeten zurückblieb, beschloss er, sich rar zu machen, bis Tobin zurückkehrte.
Er ging in ihr Zimmer und sah sich nach etwas zu tun um, aber Molay hatte bereits alles aufgeräumt. Sogar auf Tobins Schnitzbank herrschte ausnahmsweise Ordnung. Ki entschied, trotz des Wetters einen Ausritt zu wagen, schlüpfte in alte Schuhe und einen dicken Mantel und brach zu den Stallungen auf.
»Soll ich Euer Pferd holen lassen, Sir Ki?«, rief Baldus hinter ihm her.
»Nein«, gab Ki zurück, der nach der langen Zeit im Haus dankbar für die Gelegenheit eines Spaziergangs war.
Der Regen hatte nachgelassen, aber ein heftiger Wind peitschte ihm den Mantel um die Beine, als er den Schutz der Palastgärten verließ. Bald waren seine Schuhe völlig durchnässt, doch es störte ihn nicht. Der auf ihn einstürmende Wind und der kalte, durchdringende Geruch der See versetzten sein Blut in Wallung und erleichterten ihm das Herz. Er hob das Gesicht an, um den Wind darüberstreichen zu lassen. Es herrschte noch reichlich Tageslicht; vielleicht konnte er Tharin zu einem Ausritt entlang der Küste überreden.
Die Stallungen erwiesen sich als verwaist, abgesehen von ein paar Stallburschen und Pferdeknechten. Sie kannten ihn und verneigten sich, als er durch die stickige Dunkelheit der Ställe ging. Zu jeder Seite ragten ihm hundert glänzende Hinterteile entgegen. Draches und Gosis Stellplätze befanden sich etwa auf halbem Wege die linke Seite hinab.
Er war noch nicht weit gekommen, als er erkannte, dass er doch nicht alleine war.
Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass Mago und Arius ihn beinah eingeholt hatten. Der Lärm des Unwetters musste sie gedeckt haben, als sie ihm vom Palast gefolgt waren. Das und die eigene Unaufmerksamkeit, dachte er mit sinkendem Mut. Mittlerweile war kein Stallbursche mehr in Sicht. Wahrscheinlich hatten die beiden daran gedacht, sie zu bestechen, damit sie sich fernhalten würden.
»Na so was, wie eigenartig, dir hier zu begegnen, Wald- und Wiesenritter«, rief Mago vergnügt aus. »Und wie geht es dir an diesem schönen Nachmittag?«
»Ganz gut, abgesehen von der Gesellschaft«, erwiderte Ki.
Sie würden ihn nicht vorbeilassen, so viel stand fest. Am gegenüberliegenden Ende des Stalls gab es eine weitere Tür, doch dafür müsste er kneifen und flüchten, und er wollte verflucht sein, wenn er das täte. Eher würde er Prügel über sich ergehen lassen. Andererseits konnten die beiden gewiss nicht so töricht sein.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du so heikel bist, was deine Gesellschaft angeht«, meinte Arius und spielte mit einem schweren Ring an seiner Hand. »Eingesperrt in diesem Rattenloch von einer alten Feste mit einem Dämon und Tharins verkommenen Landsoldaten? Und ich bin neugierig …« Arius drehte den Ring unablässig herum. »Vielleicht kannst du mich aufklären, zumal du dort gelebt hast. Ist es wahr, was man über Tharin und Fürst Rhius sagt? Da du schließlich der Knappe seines Sohnes bist, dachte ich, du weißt es vielleicht.«
Das Blut begann in Kis Ohren zu pulsieren. Er hatte zwar keine Ahnung, wovon Arius redete, aber allein die Art, wie er es tat, war Beleidigung genug.
»Vielleicht liegt es ebenso in der Familie wie der Wahnsinn«, warf Mago mit einem giftigen Lächeln ein. »Treiben du und Tobin es auch?«
Da begann Ki zu erahnen, worauf Arius hinauswollte, und eine frostige Wut erfüllte ihn. Nicht über den angedeuteten Akt selbst, sondern über den Gedanken, dass diese beiden pickelgesichtigen Dreckskerle zwei solche Männer mit ihrem verabscheuungswürdigen, spöttischen Tonfall heruntermachten, und mit ihnen Tobin.
»Das nimmst du zurück«, knurrte er und näherte sich Mago.
»Warum sollte ich? Ihr teilt doch das Bett, oder? Wir alle haben es in der Nacht gesehen, in der wir in
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