Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
zu Bett begaben. »Ich wette, Una würde sich von dir küssen lassen, wenn du es versuchtest, aber du führst dich auf, als hätte sie die Pest!«
»Ich will sie gar nicht küssen«, herrschte Tobin ihn an und zog seine Hand weg, bevor Ki ihm den Finger verbinden konnte. Er kroch über das Bett, vergrub sich so weit wie möglich von Ki entfernt unter den Decken, blieb dort und weigerte sich den Rest der Nacht, mit ihm zu reden.
Das war das erste Mal, dass Tobin wirklich wütend auf ihn gewesen war. Ki lag die halbe Nacht reuig wach und gelobte, Tobin nie wieder wegen Mädchen zu hänseln.
Er hatte auch so genug Sorgen.
Prinz Korin hatte seit ihrer Ankunft noch mehrere weitere seiner ausschweifenden Bankette veranstaltet und ordnete sie an, wann immer er Lust dazu hatte und sich nicht an Porions Missbilligung störte. Obwohl dies die Knappen von ihren Tischdiensten befreite, hätte Ki gerne darauf verzichtet. Alle tranken dabei mehr, insbesondere Korin, und Ki mochte den Königlichen Prinzen nüchtern viel lieber.
Tobin hatte sich auf seine übliche, gutherzige Weise rasch für seinen Vetter erwärmt, doch diesmal war Ki nicht so sicher, was das Urteilsvermögen seines Freundes anging. In betrunkenem Zustand glich Korin in Kis Augen einem Blatt im Wind und neigte zu sehr dazu, die Farben jener rings um ihn anzunehmen, statt mit den eigenen zu schillern. Dann bestand auch die Wahrscheinlichkeit von Sticheleien seinerseits, und er sah über die Derbheiten der anderen hinweg.
Und davon gab es reichlich, wenngleich sie häufig dünn in Scherze gekleidet wurden. Ihr Können auf dem Übungsgelände hatte bei einigen der älteren Gefährten Neid ausbrechen lassen, und Tobins merkwürdiges Verhalten in jener Nacht im alten Thronsaal hatte dafür gesorgt, dass ein paar lose Zungen dummes Zeug verbreiteten. Aber wahrscheinlich hatten sie das bereits vor ihrer Ankunft getan.
Tobin hier zu sehen, rief Ki in Erinnerung, wie sonderbar der Junge ihm erschienen war, als sie einander zum ersten Mal begegnet waren: die Art, wie Tobin mit Geistern, Hexen und Zauberern redete, als wäre dies das Natürlichste auf der Welt, die Art, wie er in den Gesichtern von Menschen zu lesen vermochte wie andere Fährten oder das Wetter, und dass, ohne überhaupt zu wissen, dass er es tat. Wenngleich sich Tobin ein wenig verändert hatte, seit Ki ihn kannte, besaß er immer noch die Augen eines Mannes und machte kaum einen Unterschied in seinem Verhalten gegenüber Adeligen oder Bediensteten, Hochwohlgeborenen oder Gemeinen. Er behandelte alle gut. Auch Ki hatte sich daran in den müßigen, einfachen Jahren in der Feste gewöhnt. Hier unter den jungen Adeligen wurde ihm rasch wieder vor Augen geführt, wie unüblich dies war, und zwar so, wie es Tobin einfach nicht zu verstehen schien.
Aber Ki verstand es, genau wie die Gefährten – selbst diejenigen, die ihm wohl gesonnen waren. Tobin hatte nicht nachvollziehen können, welche Scham Ki empfunden hatte, als ein betrunkener Prinz ihn so halbherzig mit einem Schwert berührt, ihn › Sir ‹ getauft und ihm den hohlen Titel eines Wald- und Wiesenritters verliehen hatte – mit dem das Almosen eines Schlachtrosses und einer jährlichen Geldzuwendung einherging. Trotz all des Wissens und der anständigen Ausdrucksweise, die sich Ki dank Arkoniel angeeignet hatte, wussten alle hier, wer sein Vater war. Und sie alle hatten gesehen, wie Ki seine › Ritterschaft ‹ erlangt hatte.
Nein, all das konnte Tobin nicht verstehen, und Ki hielt sein Versprechen gegenüber Tharin und sagte nichts zu ihm. Sein Stolz hielt ihn sogar davon ab, sich Tharin anzuvertrauen, obwohl sie den Hauptmann besuchten so oft sie konnten.
Allerdings war auch nicht alles schlecht, rief er sich häufig in Erinnerung. Tobin glich einem Schluck Süßwasser in einem Sumpf, und es gab durchaus Menschen, die ihn zu schätzen wussten. Korin beispielsweise, wenn er nüchtern war, ebenso die Besseren unter den Gefährten: Caliel, Orneus, Nikides und der kleine Lutha. Ihre Knappen verhielten sich Ki gegenüber aus Respekt vor diesem Umstand höflich, und einige betrachteten ihn sogar als Freund.
Auf der anderen Seite des Zaunes befanden sich der Knappe Mago und seine Spießgesellen; Ki hatte nicht lange gebraucht, um zu begreifen, dass sie Ärger verhießen. Sie ließen keine Gelegenheit aus, um ihn daran zu erinnern, dass er ein Wald- und Wiesenritter und der Sohn eines armen Mannes war. Wann immer es ihnen gelang, ihn außer
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