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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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einzigen Gefährten, wenn Vater und seine Männer fort waren, was viel zu häufig vorkam.

Und natürlich der Dämon. Erst Jahre später erfuhr ich, dass es nicht in allen Häusern wie in meinem zuging – dass es ungewöhnlich war, von unsichtbaren Händen gekniffen und gestoßen zu werden, oder dass sich Möbel von alleine durch ein Zimmer bewegten. Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, wie ich auf Naris Schoß sitze und sie mir beibringt, die kleinen Finger zu einem Schutzzeichen zu krümmen …

K APITEL 6
     
    Tobin kniete in seinem Spielzimmer auf dem Boden und schob müßig ein kleines Schiff durch den bemalten Hafen der Spielzeugstadt. Es war die Karacke mit dem krummen Mast, die der Dämon zerbrochen hatte.
    Allerdings spielte Tobin nicht richtig. Vielmehr wartete er und beobachtete die geschlossene Tür der Kammer seines Vaters auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Nari hatte die Tür hinter sich zugezogen, als sie hineingegangen war, um mit seinem Vater zu reden, wodurch sie es für Tobin unmöglich gestaltete, vom Spielzimmer aus zu lauschen.
    Tobins Atem bildete ein weißes Dampfwölkchen, als er seufzte und sich bückte, um das kleine Segel des Schiffs zu glätten. Es war kalt; er roch Frost in der frühmorgendlichen Brise, die durch das offene Fenster wehte. Er öffnete den Mund und blies mehrere kurze Atemstöße aus, um flüchtige Wolken über die Zitadelle treiben zu lassen.
    Die Spielzeugstadt, ein Geschenk seines Vaters zu seinem letzten Namenstag, stellte seinen liebsten Besitz dar. Sie ragte beinah so hoch auf wie Tobin und nahm die Hälfte dieses ungenutzten Schlafgemachs neben seinem eigenen Zimmer ein. Außerdem war sie eigentlich kein Spielzeug. Es handelte sich um eine verkleinerte Ausgabe von Ero, die sein Vater für ihn angefertigt hatte.
    »Da du zu jung bist, um Ero zu besuchen, habe ich Ero zu dir geholt!«, hatte er gesagt, als er Tobin die Stadt übergab. »Eines Tages lebst du dort vielleicht, verteidigst die Stadt womöglich sogar, also musst du sie auch kennen.«
    Seither hatten sie viele glückliche Stunden zusammen damit verbracht, die Straßen und Viertel kennen zu lernen. Häuser aus Holzblöcken drängten sich dicht die steilen Seiten der Zitadelle hinauf, und es gab weite, grün bemalte Flächen für die öffentlichen Gärten und Weiden. Auf einem großen Marktplatz befand sich ein den Vieren gewidmeter Tempel, umgeben von aus Zweigen und bunten Stoffstreifen gebastelten Händlerständen. Vieh aller Art aus gebranntem Ton bevölkerte die kleinen Koppeln. Den blau bemalten Hafen, der auf einer Seite am Fuß der Stadt außerhalb der mit zahlreichen Toren versehenden Mauern vorstand, füllten hübsche, kleine Schiffe, die man mit einem Stock umherschieben konnte.
    Die Kuppe des Hügels war flach und wurde von einer weiteren Mauer umringt, die den so genannten Palatinkreis bildete, wenngleich die Mauer nicht völlig rund war. Darin befand sich ein weitläufiges Gewirr von Häusern, Palästen und Tempeln, alle mit verschiedenen Namen und Geschichten. Dort gab es mehr Gärten als in der eigentlichen Stadt, außerdem einen aus einem Silberspiegel angefertigten Fischteich und einen Übungsplatz für die Königlichen Gefährten. Letztere schürten Tobins Neugier zutiefst; die Gefährten waren Knaben, die im Alten Palast bei seinem Vetter, Prinz Korin, lebten und zu Kriegern ausgebildet wurden. Auch sein Vater und Tharin waren in ihrer Jugend Gefährten König Erius’ gewesen. Als Tobin dies erfahren hatte, wollte er sogleich ebenfalls dorthin. Doch wie üblich wurde ihm gesagt, dass er warten müsste, bis er älter wäre.
    Das größte Gebäude im Palatinkreis bildete der Alte Palast. Er besaß ein abnehmbares Dach und mehrere Räume im Inneren. Natürlich gab es einen Thronsaal mit einem winzigen Holzthron, neben dem sich in einem kleinen Holzrahmen eine gleichermaßen winzige Tafel aus echtem Gold befand.
    Diese hob Tobin heraus und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die fein darauf eingravierten Worte. Zwar konnte er sie nicht lesen, aber er kannte sie auswendig: › Solange eine Tochter der Linie des Thelátimos über das Reich herrscht und es verteidigt, wird Skala niemals unterjocht werden. ‹ Auch die Legende über König Thelátimos und das Orakel kannte Tobin auswendig. Sie zählte zu den Lieblingsgeschichten seines Vaters.
    Die Stadt wurde von etlichen kleinen Menschen aus Holzstücken bevölkert. Sie mochte Tobin am meisten an der Stadt, und er

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