Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Höhlen verborgen, doch die raue Fratze zerfiel zu einer Miene des Kummers. »Gegen mich machst du dieses Zeichen?« Sie kehrte zum Bett zurück und setzte sich. »Du darfst niemals meine Göttin anrufen. Sie verzeiht nicht, was dein Volk und ihr Orëska uns angetan habt.«
»Warum hat sie dich uns dann überhaupt helfen lassen?«
Lhel strich sich mit den Händen über das Gesicht und ließ die Symbole von ihrer Haut verschwinden. »Es ist der Wille der Mutter, dass ich euch helfe und dass ich hier geblieben bin, um für den unruhigen Geist zu sorgen, den wir in jener Nacht erschaffen haben. All die langen, einsamen Tage habe ich über dasselbe Rätsel nachgegrübelt. Und dann, als du zu mir gekommen bist und bereit warst, mein Schüler zu werden …« Sie seufzte. »Hätte die Mutter es nicht befürwortet, hättest du nicht so viel und so einfach von mir gelernt.« Die Hexe ergriff seine Hand und betastete den glänzenden Stumpen seines abgetrennten Fingers. »Du kannst mit deinem Samen kein Kind mit mir zeugen, aber deine Magie und die meine haben etwas Neues entstehen lassen. Vielleicht werden unsere Völker eines Tages noch mehr zusammen erschaffen, trotzdem werden wir weiterhin verschiedenen Gottheiten huldigen. Dein Illior ist nicht meine Mutter, ganz gleich, wie sehr du es dir einzureden versuchst. Bleib deinen eigenen Göttern treu, mein Freund, und achte darauf, jene anderer nicht zu beleidigen.«
»Ich wollte sie nicht …«
Mit kalten Fingerspitzen strich sie ihm über die Lippen. »Nein, du wolltest mich umstimmen, indem du dich auf ihren Namen berufen hast. Tu das nie wieder. Was die anderen Zauberer hier angeht, sie werden nicht erfreut sein, mich zu sehen. Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung? An deine Angst, deine Abscheu? Daran, dass du mich in Gedanken als kleine Schwindlerin betrachtet hast?«
Verlegen nickte Arkoniel. Iya und er hatten Lhel tatsächlich wie eine mindere Händlerin behandelt und ihr keinerlei Achtung gezollt, nicht einmal, nachdem sie alles getan hatte, was von ihr verlangt worden war.
»Sie werde ich nicht für mich gewinnen, wie es mir bei dir gelungen ist.« Verspielt ließ Lhel einen Finger seinen Bauch hinab zur Behaarung über dem Schritt wandern. »Sorg nur dafür, dass mich die Mächtigeren unter ihnen nicht angreifen.« Sie wich ein wenig zurück und sah ihm tief in die Augen. »Um ihretwillen, ja?«
»Ja.« Er runzelte die Stirn. »Ich frage mich, was Tobin und Ki denken werden, wenn sie mich hier nicht antreffen.«
»Sie sind kluge Jungen. Sie werden es sich zusammenreimen.« Kurz überlegte sie. »Lass diesen Geistvernebler zurück.«
»Eyoli?«
»Ja. Er ist sehr schlau und kann es bewerkstelligen, nicht bemerkt zu werden. Wer würde schon näher über einen Stallburschen nachdenken? Falls Tobin uns braucht, kann er uns verständigen.« Sie erhob sich wieder. »Halt morgen auf der Straße nach mir Ausschau. Bringt so viele Vorräte mit, wie ihr befördern könnt. Und mehr Kleider. Du wirst doch auf mich hören und der Feste fernbleiben, oder? Durch eine Rückkehr ist nichts zu gewinnen.«
Bevor er antworten konnte, verschwand sie, verblasste in die Dunkelheit wie ein Geist. Vielleicht würde sie ihm eines Tages auch dieses Kunststück beibringen.
Auf Schlaf bestand keinerlei Hoffnung mehr. So begab sich Arkoniel hinunter in den Küchenhof und überprüfte abermals die Vorräte auf dem Wagen, zählte die Decken, die Seile und die Säcke mit Mehl, Salz und Äpfeln. Er dankte dem Licht dafür, dass der König für die Feste keinen Verwalter oder Vogt eingesetzt hatte. Arkoniel wanderte über die Höfe und sammelte jedes Werkzeug ein, das er finden konnte – Sägen, Hämmer, zwei rostige Äxte, die hinter den Truppenunterkünften zurückgelassen worden waren, einen kleinen Amboss, den er auf der Rückseite der Hufschmiedhütte entdeckte. Indem er etwas Nützliches tat, fühlte er sich besser, und die ganze Zeit verfolgte ihn dabei die wachsende Überzeugung, dass er um eine Art Ecke des Schicksals gebogen war. Nach den Jahren der Wanderschaft mit Iya befand er sich nun hier mit einer Handvoll geächteter Zauberer und einem Karren – seinen neuen Orëska.
Es war ein bescheidener Anfang, fand er, dennoch ein Anfang.
K APITEL 42
Die Sterne verblassten gerade, als Arkoniel und die anderen aufbrachen. Hain fuhr mit den Kindern im Wagen, der Rest ritt. Wythnir saß hinter Arkoniel auf dem Sattel, sein kärgliches Bündel zwischen ihnen
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