Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
eingekeilt.
»Wohin führt diese Straße, Meister?«, fragte er.
»Zu den Bergbausiedlungen nördlich von hier und letztlich zur Küste westlich der Meerenge«, antwortete Arkoniel. Eisen, Zinn, Silber und Blei hatten vor Jahrhunderten Siedler aus Skala in die Berge gelockt. Einige der Bergwerke förderten immer noch genug zutage, um die Menschen dort zu halten.
Die Geschichte, die Lhel ihn gelehrt hatte, verschwieg er; Soldaten aus Skala – darunter Tobins Ahnen – hatten dieselbe Straße benutzt, um gegen Lhels Volk Krieg zu führen. Die Retha'noi waren große Beutefahrer und Krieger gewesen, noch mehr jedoch hatte man ihre Magie gefürchtet. Jene, die überlebt hatten, wurden als Totenbeschwörer gebrandmarkt und tief in die Berge getrieben. Mittlerweile jagte man sie zwar nicht mehr, aber sie blieben geächtet, verbannt aus dem fruchtbaren Küstenland, das ihnen gehört hatte. Als sich Arkoniel und Iya auf der Suche nach einer Hexe in die Berge gewagt hatten, spürten sie die grollende Feindseligkeit, die immer noch in den Herzen jener kleinwüchsigen, dunklen Rasse schwelte.
Arkoniel hatte getan, worum Lhel ihn ersucht hatte; er hatte den anderen nichts von ihr erzählt und nur gesagt, dass sie eine Führerin treffen sollten, die sie in Sicherheit bringen würde. Kurz nach dem Morgengrauen stießen sie auf Lhel. Sie stand wartend auf einem Felsblock am Straßenrand.
Die anderen zügelten jäh die Pferde. Malkanus griff in seinen Beutel und bereitete einen Zauber gegen sie vor, doch Arkoniel ritt zwischen sie.
»Nein, warte. Nicht!«, rief er. »Das ist unsere Führerin.«
»Das?«, stieß Malkanus empört hervor. »Eine dreckige Hügelhexe?«
Lhel verschränkte die Arme vor der Brust und blickte finster auf ihn herab.
»Das ist Lhel, eine von mir verehrte und mir und Iya gut bekannte Freundin. Ich erwarte von euch, dass ihr sie dementsprechend behandelt. Illior hat sie vor Jahren zu uns geführt. Auch sie hat die Vision.«
»Iya billigt das?«, fragte Lyan, die alt genug war, um sich noch an die Beutezüge von Lhels Volk zu erinnern.
»Selbstverständlich. Bitte, Freunde – Lhel hat uns ihre Hilfe angeboten, und wir brauchen sie. Ich kann mich für sie verbürgen.«
Trotz Arkoniels Beteuerungen blieben beide Seiten äußerst angespannt. Lhel fuhr mürrisch auf dem Wagen neben Hain mit, der sich von ihr wegbeugte, um zu vermeiden, sie zu berühren, als hätte sie den Roten und Schwarzen Tod.
An jenem Tag erreichten sie den ersten Pass und bahnten sich einen Weg durch das steilwandige Tal dahinter, während die Luft kälter wurde und der Schnee die Hänge der Gipfel bis zum Straßenrand herabkroch. Die Bäume wuchsen spärlich und winzig, wodurch sie der Gnade des Windes ausgeliefert waren. Nachts heulten in der Nähe Wölfe, und mehrmals vernahmen sie das zwischen den Gipfeln widerhallende Fauchen von Berglöwen.
Die Kinder schliefen zusammen unter den Decken auf der Ladefläche des Wagens, während die älteren Zauberer die Feuer hüteten und Wache hielten. Totmus' Erkältung verschlimmerte sich. Der Junge kauerte bei den anderen, hustete und döste, richtig schlafen jedoch konnte er nicht. Unter den argwöhnisch starrenden Blicken der Orëska-Zauberer braute Lhel einen Tee für ihn und flößte ihm diesen behutsam ein. Das Kind hustete erschreckende Klumpen grünen Schleims hervor, danach schien es ihm besser zu gehen. Am dritten Abend lachte er bereits wieder mit den anderen.
Die Zauberer blieben misstrauisch, doch die Kinder ließen sich einfacher von Lhel vereinnahmen. Während der langen, erschöpfenden Stunden auf dem Wagen erzählte sie ihnen Geschichten und zeigte ihnen nette kleine Zauberkunststücke. Jeden Abend, wenn sie anhielten, verschwand sie in der Dunkelheit und kehrte mit Pilzen und Kräutern für den Eintopf zurück.
Am dritten Tag traten sie den Rand einer Schlucht entlang einen Abstieg an und näherten sich wieder dem Wald. Hunderte Fuß tiefer gurgelte zwischen den widerhallenden Felswänden ein grünlich-blauer Fluss vor sich hin. Unmittelbar nach den Überresten eines aufgegebenen Dorfes bogen sie nach Westen und folgten einem Nebenarm des Gewässers in ein kleines, dicht bewaldetes Tal.
Eine Straße gab es nicht. Lhel führte sie am Flussufer entlang zwischen hoch aufragende Tannen. Bald wurde der Wald zu dicht für den Wagen, und sie marschierten zu Fuß einen kleineren Bach entlang weiter zu einer überwucherten Lichtung zwischen den Bäumen.
Dort hatte
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