Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
sich einst eine Ortschaft befunden, jedoch keine von skalanischen Händen errichtete. Kleine, runde, dachlose Steinhütten standen am Ufer des Baches, keine größer als ein Apfelkeller. Viele waren eingestürzt und von Moos und Kriechpflanzen erobert worden, aber einige standen noch.
Verwitterte Baumstämme lehnten in willkürlichen Winkeln rings um die Lichtung und kennzeichneten, wo eine Palisade einst Wölfe, Berglöwen und vermutlich auch skalanische Angreifer ferngehalten hatte.
»Das ist ein guter Ort«, verkündete Lhel. »Wasser, Holz und Nahrung. Aber ihr müsst bald bauen.« Sie deutete zum Himmel empor, der sich allmählich mit rauen Wolken füllte. »Bald wird es Schnee geben. Die Kleinen brauchen einen warmen Platz zum Schlafen.«
Sie ging zu einer der Hütten und zeigte ihnen Löcher, die in einige der obersten Steine gebohrt worden waren. »Für Dachspannen.«
»Bleibt Ihr bei uns, Herrin?«, fragte Danil, der die Hand der Hexe fest umklammerte. Am Tag zuvor hatte Lhel ihm gezeigt, wie er Feldmäuse zu sich auf die Knie rufen konnte, was selbst Arkoniel dem Kind nicht zugetraut hatte. Seither trottete der kleine Junge hinter der Hexe drein wie ein Welpe hinter seiner Mutter.
»Eine Weile«, erwiderte Lhel und tätschelte ihm die Hand. »Vielleicht kann ich dir etwas Magie beibringen.«
»Darf ich auch lernen?«, fragte Totmus und wischte sich die rotzige Nase am Ärmel ab.
»Und wir auch!«, riefen die Zwillinge begeistert aus.
Lhel schenkte den finsteren Blicken der anderen Zauberer keine Beachtung. »Ja, meine Kleinen. Ihr könnt alle lernen.« Sie lächelte Arkoniel an, und er verspürte einen weiteren Anflug jener seltsamen Überzeugung, dass sich die Dinge so zusammenfügten, wie sie sollten.
Unter Lhels Anleitung machten einige der Diener die alten Grundmauern für die Nacht bewohnbar, indem sie behelfsmäßige Dächer aus Jungbäumen und Geäst bauten.
Indes nahmen Malkanus, Lyan und Vornus Arkoniel beiseite.
»Sind das deine Dritten Orëska?«, verlangte Malkanus wütend zu erfahren und deutete mit dem Daumen auf die Kinder in Lhels Schlepptau. »Sollen wir jetzt alle Totenbeschwörer werden?«
»Du weißt, das ist verboten«, warnte Vornus. »Es darf ihr nicht gestattet werden, sie weiter zu unterrichten.«
»Ich kenne die Geschichten, aber ich sage euch, nicht alles davon ist wahr«, beharrte Arkoniel. »Ich lerne seit Jahren von dieser Frau und kenne inzwischen die wahren Wurzeln ihrer Magie. Bitte, lasst es mich euch zeigen, und ihr werdet sehen, dass es stimmt. Illior hätte uns nie zu ihr geführt, wenn wir nicht von ihr lernen sollten. Wie kann das kein Zeichen sein?«
»Aber die Magie, die wir wirken, ist rein!«, rief Lyan aus.
»Das denken wir gerne, allerdings habe ich schon Aurënfaie gesehen, die über unsere Arbeit die Köpfe geschüttelt haben. Und vergesst nicht, unsere Magie ist für unser Volk nicht weniger unnatürlich als jene Lhels. Wir mussten unser Blut erst mit jenem der Aurënfaie vermischen, bevor Zauberer in die drei Länder Einzug hielten. Vielleicht ist es an der Zeit, neues Blut einfließen zu lassen – Blut, das in Skala heimisch ist. Das Hügelvolk war schon lange vor der Ankunft unserer Ahnen hier.«
»Ja, und es hat Hunderte unserer Leute getötet«, herrschte Malkanus ihn an.
Arkoniel zuckte mit den Schultern. »Sie haben sich gegen Eindringlinge zur Wehr gesetzt. Hätten wir es anders gemacht? Ich glaube, irgendwie ist es Bestimmung, dass wir jetzt mit ihnen Frieden schließen. Aber glaubt mir vorerst, wenn ich sage, dass wir Lhels Hilfe und ihre Art von Magie brauchen. Redet mit ihr. Hört euch mit offenem Herzen an, was sie euch zu sagen hat, wie ich es getan habe: Sie besitzt große Macht.«
»Das spüre ich«, murmelte Cerana. »Und eben das beunruhigt mich.«
Ungeachtet Arkoniels Bemühungen zogen die anderen kopfschüttelnd von dannen.
Lhel kam zu ihm und sagte: »Komm, ich bringe dir etwas Neues bei.« Sie gingen zurück zum Wagen. Lhel durchsuchte das Gepäck und zog eine Kupferschüssel daraus hervor, dann brach sie den Bach entlang auf und führte Arkoniel tiefer in den Wald. Das Gelände wurde steil, und der Bach stürzte über moosbewachsene Stufen und zottige Klumpen aus von Frost gezeichnetem Farn und Brombeersträuchern herab. Dichtes Rohrkolbenschilf wankte am Rand des Wassers. Lhel zog einen Stängel aus der Erde und schälte die fleischige, weiße Wurzel. So spät im Jahr erwies sie sich als faserig und trocken,
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