Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
abzuschätzen, wie viel davon der Mann aus den Hügeln verstand, aber er nickte glücklich. »Ihr Führer.«
Barieus kicherte.
»Na schön, wir Führer«, murmelte Lutha. »Beschwer dich nur nicht, wenn wir nicht dort landen, wo du hinwillst!«
Kapitel 26
Dank ihrer Zauberer und Spitzel wusste Tamír mittlerweile, was in den Herzen von sechs Adeligen vorging, die Ländereien im Umkreis weniger Tagesritte von Atyion besaßen. Vier waren gegen sie, alle in müheloser Angriffsreichweite, sollten sie beschließen, Schwierigkeiten zu verursachen.
Dies gab Anlass zur Sorge. Tamírs Armee zählte nach wie vor weniger als zehntausend Krieger, viele davon unausgebildete Bauern sowie Händlersöhne und -töchter. Enttäuschte Adelige, die von Korins Hof im Norden geflohen waren, berichteten, dass er über die doppelte Anzahl verfügte. Falls Korin mit der Absicht anrückte, sie anzugreifen, könnte sie sich nur auf die starken Mauern und sorgsam gehorteten Vorräte ihrer neuen Hauptstadt verlassen.
Es musste etwas unternommen werden.
Sie versammelte sich mit ihren Generälen und Zauberern um den großen, runden Tisch im Landkartensaal. Der Raum war seit der Zeit des Baus des Schlosses verwendet worden, um Schlachten zu planen. Regale voller Land- und Seekarten füllten die Wände. In ruhigen Augenblicken hatte Tamír die erlesene Sammlung erforscht und dabei viele Karten entdeckt, die Anmerkungen in der Handschrift ihres Vaters aufwiesen.
Lytia verlas gerade den Schlossbestand an Rüstungen und die Anzahl verschiedener Handwerker. Tamír versuchte angestrengt, der Aufzählung von Hufnern und Waffenschmieden zu folgen, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Es war ein heißer, windstiller Tag, und das stete Zirpen der Grillen ließ ihre Lider schwer werden. Sie schwitzte in ihrem Sommerkleid. Obendrein nahte wieder die Mondzeit, weshalb ihr die Hitze zusätzlich zu schaffen machte. Oder vielleicht lag es an diesen vermaledeiten langen Röcken!
Tamír begab sich zu einem großen, offenen Fenster und versuchte, sich mit einem zierlichen Fächer aus Sandelholz und Elfenbein etwas abzukühlen. Sie hatte eine ganze Schatulle davon in einem ihrer Schränke im Ankleidezimmer gefunden und beschlossen, sie zu benutzen. Anfangs hatte es sich, wie beim meisten weiblichen Tand, merkwürdig angefühlt, aber die duftende Brise, die der Fächer schuf, wog die Verlegenheit mehr als auf. Außerdem schien es niemand für sonderbar zu halten.
Da es derzeit keine Schlachten zu schlagen galt, trug sie die meiste Zeit Kleider. Lytia hatte die Schneiderinnen des Schlosses damit beauftragt, die Gewänder ihrer Mutter in einen zeitgemäßeren Schnitt überzuführen. Dieses Kleid aus hellblauem Leinen mit Silberstickereien hatte zu Prinzessin Arianis bevorzugten Aufmachungen für sommerliche Ausritte gehört.
Als Tamír ihr Spiegelbild betrachtete, musste sie an die letzte Nacht ihres ersten Besuchs in Atyion denken, als sie sich in das Zimmer ihrer Mutter geschlichen, deren Mantel anprobiert und sich vorzustellen versucht hatte, wie sie als Mädchen aussehen würde.
Das Geräusch kindlichen Gelächters aus dem Garten unten erregte ihre Aufmerksamkeit. Einige von Arkoniels jüngsten Zauberern planschten in einem Springbrunnen mit Schlosskindern. Weitere saßen im Gras und spielten mit Kätzchen. Tamír beneidete sie. Noch letzten Sommer waren sie und ihre Freunde an Tagen wie diesen losgezogen, um nackt in einem See zu schwimmen oder sich ohne Hemden in einen schattigen Winkel zu legen.
Illardi riss sie aus ihren Tagträumereien. »Majestät? Was denkt Ihr?«
Seufzend kehrte sie zum Tisch zurück. »Ich war mit den Gedanken woanders. Worüber?«
Nyanis hatte eine weitere Karte ausgebreitet. Darauf waren Tamírs Verbündete mit blauer Tinte gekennzeichnet, jene Korins mit roter und diejenigen, deren Absichten bislang als unbekannt galten, mit grüner. Rot und Grün überwogen Blau deutlich und bündelten sich im Norden, wo sich einige der größten Besitztümer befanden. Bei den blauen Zeichen im Süden handelte es sich vorwiegend um Ortschaften und die Ländereien geringerer Adeliger und Ritter.
»Ihr habt viel Nachsicht gezeigt, Majestät«, meinte Illardi.
»Es ist an der Zeit, unter Beweis zu stellen, dass die wahre Königin Macht besitzt und ihre Geduld Grenzen kennt.«
»Ich würde hier beginnen, bei Fürst Erian«, riet Nyanis und deutete auf einen zwei Tagesritte nördlich gelegenen Ort. »Er hat eine starke
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