Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
gemacht.«
Der Gedanke war tröstlich und vermittelte ihr erneut ein Gefühl der Verbundenheit mit den Frauen, die diesen Weg vor ihr beschritten hatten.
Alle stiegen ab und suchten nach scharfkantigen Steinen, um ihre Namen und Botschaften in den Fels zu ritzen.
Saruel schloss sich ihnen zwar an, fuhr jedoch stattdessen mit der Hand über den Stein. Ein kleiner, silbriger Halbmond und Worte in feiner Schrift erschienen. »Es ist gut, den Lichtträger auf dem Weg zu diesem geheiligten Ort zu ehren«, murmelte sie und beobachtete wohlwollend, wie Luchs’ junger Knappe sein Zeichen hinterließ. »In deinen Adern fließt Aurënfaie-Blut, Tyrien í Rothus«, sagte sie zu ihm. »Ich sehe es an der Farbe deiner Augen.«
»Das meinte meine Großmutter auch, aber das ist lange her, also kann es nicht viel sein«, gab der Junge zurück, in dessen grauen Augen Freude darüber aufblitzte, dass sie es bemerkt hatte. »Jedenfalls bin ich kein Zauberer.«
»Die Menge spielt keine Rolle, sondern die Herkunft, und auch sie ist keine Gewähr«, klärte Iya ihn auf, die den Wortwechsel gehört hatte. »Und das ist gut so. Würde jeder Skalaner mit einem Tropfen Aurënfaie-Blut in den Adern als Zauberer geboren, gäbe es für Krieger wenig zu tun.«
»Waren deine Eltern Magier?«, wollte Saruel von Wythnir wissen, der sein Zeichen ein Stück entfernt einritzte.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Junge leise. »Ich war noch sehr klein, als sie mich verkauften.«
Das war mehr, als Tamír ihn je auf einmal hatte sagen gehört, und das Meiste, was er je von sich preisgegeben hatte. Tamír lächelte darüber, wie Arkoniel die Hand auf die Schulter des Jungen legte, und über den huldigenden Blick, den ihm dies einbrachte. Unwillkürlich wünschte Tamír, als Kind selbst zugänglicher für ihn gewesen zu sein. Arkoniel war damals zu ihr genauso freundlich gewesen, und er war es noch. Er war ihr Freund.
Frag Arkoniel! Bruders Aufforderung jagte ihr immer noch einen kalten Schauder über den Rücken.
Tamír verdrängte den Gedanken für später und starrte auf den Bereich der flachen Felswand, den sie sich ausgesucht hatte. Sie hatte keine Ahnung, was sie schreiben sollte. Schließlich ritzte sie nur: »Königin Tamír II, Tochter der Ariani, für Skala durch den Willen Illiors.« Darunter fügte sie einen kleinen Halbmond hinzu, dann reichte sie den Stein, den sie als Griffel verwendet hatte, an Ki weiter.
Er beugte sich neben sie und kritzelte seinen Namen sowie einen Halbmond unter ihre Inschrift, dann zeichnete er einen Kreis um ihrer beider Namen.
»Warum hast du das gemacht?«, fragte sie.
Nun errötete Ki, als er leise antwortete: »Um den Lichtträger zu bitten, uns zusammen zu lassen. Das war mein Gebet.«
Damit eilte er davon und beschäftigte sich damit, den Bauchgurt seines Pferds zu überprüfen. Tamír seufzte innerlich. Zuerst die Blume und jetzt das, dennoch wahrte er nach wie vor Abstand. Einst hatte sie geglaubt, sein Herz in- und auswendig zu kennen. Nun hatte sie keine Ahnung, was darin vorging, und fürchtete sich davor, zu hoffen.
Die Sonne versank gerade hinter den Bergen, als Tamír um eine Kurve bog und ein schwindelerregendes Gefühl von Vertrautheit erfuhr.
Der Anblick vor ihr glich haargenau jenem aus ihrer Vision in Ero. Der schmale Pfad wand sich außer Sicht, ehe er in der Ferne wieder auftauchte. Außerdem stand rittlings über der Straße der Torbogen, der so fehl am Platz wirkte, bemalt in bunten Farben, die im schwindenden Licht schimmerten. Sie wusste, dass alles echt war, trotzdem erschien es ihr wie etwas aus einem Traum. Als sie näher hinritten, erkannte sie gemalte Drachen in erlesenen Rot-, Blau- und Goldtönen, die sich um die schmale Öffnung rankten, als wären sie lebendig und behüteten diesen heiligen Weg mit Fängen und Feuer.
»Illiors Schlüsselloch.«
»Wunderschön, nicht wahr?«, meldete sich Arkoniel zu Wort. »Erkennst du den Stil?«
»Ich habe ähnliche Arbeiten im Alten Palast gesehen, allesamt Jahrhunderte alt. Wie lange ist dies schon hier?«
»Zumindest ebenfalls Jahrhunderte, und es ist nur das jüngste Tor«, antwortete Iya. »Andere sind verfallen und wurden ersetzt. Legenden zufolge stand das Tor bereits hier, als die ersten skalanischen Priester einer Vision zu dem heiligen Ort folgten. Niemand weiß, wer das erste Tor errichtet hat oder weshalb.«
»Uns wird beigebracht, dass ein Drache das erste Tor aus den Steinen des Berges gebaut hat, um
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