Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Illiors heilige Höhle zu beschützen«, sagte Lain.
»Mein Volk erzählt sich dieselbe Geschichte über unsere heiligen Orte«, ergänzte Saruel. »Natürlich tun Drachen in Aurënen solche Dinge noch immer.«
»Manchmal werden in höher gelegenen Tälern Drachengebeine gefunden. Manchmal stoßen wir am Schrein sogar auf Däumlinge.« Lain drehte sich um und wandte sich an die anderen. »Ich muss euch warnen. Falls ihr etwas seht, das eine kleine Echse mit Flügeln zu sein scheint, zollt dem Geschöpf angemessenen Respekt und rührt es nicht an. Sogar Däumlingsdrachen können garstig beißen.«
»Drachen?« Wythnirs Augen leuchteten voll kindlicher Erregung auf.
»Winzige, die man äußerst selten sieht«, gab Lain zurück.
Am Tor mussten sie absteigen und die Pferde einen schmalen, felsigen Pfad entlangführen. Afra lag an einem Pass weniger als eine Meile weit dahinter. Alsbald öffnete sich das Gelände zu einem tiefen, kahlen Ort, der in Schatten lag, doch mehrere rot gewandete Priester und einige junge Burschen und Mädchen mit Fackeln erwarteten sie. Hinter ihnen wand sich der Pfad weiter in die Schatten.
Ki roch die Luft, in der Kochdüfte wehten. »Ich hoffe, man hat uns etwas zum Abendessen aufgehoben. Mein Bauch glaubt schon, man hätte mir die Kehle aufgeschlitzt.«
»Willkommen, Königin Tamír, die Zweite!«, rief der oberste Priester und verneigte sich tief mit seiner Fackel. »Ich bin Ralinus, in Imonus’ Abwesenheit Hohepriester von Afra. Im Namen des Orakels heiße ich Euch willkommen. Es hält schon lange nach Eurer Ankunft Ausschau. Gelobt seid Ihr, Auserkorene des Lichtträgers!«
»Hat Imonus mich angekündigt?«, fragte Tamír.
»Das brauchte er nicht, Majestät. Wir wussten es.« Als Nächstes verneigte er sich vor Iya. »Das Orakel hat mich ersucht, auch Euch willkommen zu heißen, Frau Iya. Ihr habt Euch als getreu erwiesen und die Euch vor vielen Jahren gestellte, schwierige Aufgabe erfüllt.«
Der Priester erblickte Saruel und streckte ihr begrüßend die tätowierten Handflächen entgegen. »Und auch du bist herzlich willkommen, Tochter Auras. Mögest du hier, am Ort des Lichtträgers, eines Herzens mit uns sein.«
»In der Finsternis und im Licht«, gab Saruel zurück und nickte respektvoll.
»Für euch wurden Unterkünfte und eine Mahlzeit vorbereitet. Das ist äußerst günstig, Majestät. Vor drei Tagen traf eine Gesandtschaft von Aurënfaie ein und erwartet Eure Ankunft im Gästehaus, das dem Euren auf der anderen Seite des Platzes gegenüberliegt.«
»Aurënfaie?« Tamír schaute argwöhnisch zu Iya und Saruel. »Ist das euer Werk?«
»Nein, ich habe mit niemandem in der Heimat Verbindung«, beteuerte Saruel.
»Ich ebenso wenig«, sagte Iya, wenngleich sie höchst erfreut über die Neuigkeit wirkte. »Allerdings dachte ich mir schon, dass einige hier oder dort auftauchen würden.«
Die Fackelträger übernahmen ihre Pferde und führten die Tiere um die letzte Biegung des Pfads.
Afra lag eingepfercht in einer tieferen Kluft zwischen zwei hoch aufragenden Gipfeln und glich auf dem ersten Blick lediglich einer eigenartigen Ansammlung von Fenstern und Türen, die zu beiden Seiten eines kleinen, gepflasterten Platzes in die Felswände gehauen worden waren. Den Platz säumten hohe Fackeln, die in Halterungen im Stein steckten. Laubsägearbeiten und Säulen uralter Machart umrahmten die Fenster und Türen. Sie ähnelten dem Zierwerk an Illiors Schlüsselloch, wie Tamír gedankenversunken auffiel.
Was ihre Aufmerksamkeit im Augenblick erregte, war die dunkelrote Steinstele in der Mitte des Platzes zwischen zwei hell lodernden Kohlenbecken. An ihrem Fuß befand sich eine blubbernde Quelle, wie die Zauberer sie beschrieben hatten. Sie ergoss sich in ein Steinbecken und floss durch einen gepflasterten Kanal in die Schatten links ab. Im schwindenden Tageslicht warfen die zuckenden Flammen tänzelnde Schatten über die Inschrift der Tafel.
Ehrfürchtig berührte sie den glatten Stein. Die an König Thelátimos gerichteten Worte des Orakels waren in Skalanisch und drei weiteren Sprachen darin eingeritzt. Eine davon erkannte sie als Aurënfaie.
»›Solange eine Tochter der Linie des Thelátimos über das Reich herrscht und es verteidigt, wird Skala niemals unterjocht werden‹«, sagte Ralinus, und alle Priester und Bediensteten verneigten sich tief vor ihr. »Trinkt von der Quelle des Lichtträgers, Majestät, und erfrischt Euch nach der langen Reise.«
Abermals verspürte
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