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Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin

Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin

Titel: Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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bin deine Tochter. Mein Name ist Tamír. Früher war ich Tobin, aber jetzt bin ich Tamír. Mutter, sieh mich an. Hör mir zu!«
    Tochter? Langsam drehte sich die Erscheinung um, nach wie vor mit jenem widernatürlichen, ruckenden Zögern, als hätte sie vergessen, wie sich ein Körper bewegte. Sie hielt die alte, unförmige Puppe in den Händen, oder zumindest deren Geist. Tamír stockte der Atem, als sie eine fahle Wange und vertraute Züge sah. Dann wandte sich ihre Mutter ihr vollends zu, und der Anblick erinnerte an ein schauerliches Spiegelbild.
    Die anderen hatten doch Recht, dachte Tamír wie betäubt und vergaß ihre Angst, als sich jene Augen auf sie hefteten und in ihnen eine Art Erkennen dämmerte. In den Monaten seit ihrer Verwandlung hatten sich Tamírs Züge gewandelt, sodass sie dem Antlitz dieser toten Frau mittlerweile stark ähnelten. Tamír trat einen Schritt vor, wobei ihr verschwommen bewusst wurde, dass sie beide auf dieselbe Weise Puppen in der Beuge des linken Armes hielten.
    »Mutter, ich bin es, deine Tochter«, versuchte sie es erneut und suchte in dem Gesicht ihr gegenüber nach Begreifen.
    Tochter?
    »Ja! Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du weitergehen musst, zum Tor.«
    Erst jetzt schien der Geist sie richtig wahrzunehmen. Tochter?
    Tamír verlagerte das Licht in die linke Hand und streckte die andere aus. Ihre Mutter tat es ihr gleich. Ihre Fingerspitzen streiften sich, und Tamír konnte sie spüren, so fest wie ihre eigenen, aber tödlich kalt wie jene Bruders.
    Unbeirrt ergriff sie die frostige Hand. »Mutter, du musst ruhen. Du kannst hier nicht länger bleiben.«
    Die Frau kam näher und starrte Tamír an, als versuchte sie immer noch zu begreifen, wer sie war.
    Eine Träne kullerte über Tamírs Wange. »Ja, ich bin es.«
    Plötzlich wurde der Raum hell. Sonnenlicht strömte durch alle Fenster, und die Kammer wirkte heimelig und war erfüllt von Farben und den Wohlgerüchen von Holz, sonnengetrocknetem Leinen und Kerzen. Den Kamin bedeckten verwelkte Blumen, die Stühle standen aufrecht daneben, ihre Sitzkissen heil und makellos. Puppen übersäten den Tisch, sauber und in kleine Samtaufmachungen gekleidet.
    Ihre Mutter war lebendig, und aus den blauen Augen sprach die Wärme eines ihrer seltenen Lächeln. »Hast du deine Buchstaben gelernt, Tobin?«
    »Ja, Mama.« Mittlerweile weinte Tamír hemmungslos. Sie ließ die Puppe und den Lichtstein fallen und umarmte ihre Mutter. Es fühlte sich seltsam an, groß genug zu sein, um das Gesicht in jenem seidigen Haar zu vergraben, aber sie dachte nicht darüber nach, sondern ließ sich von dem leichten Blumenduft betören, an den sie sich so gut erinnerte. »O Mutter, ich bin nach Hause gekommen, um dir zu helfen. Es tut mir leid, dass ich so lange weg war. Ich habe versucht, Bruder zu helfen. Das habe ich wirklich!«
    Warme Hände streichelten ihr Haar und ihren Rücken. »Nicht weinen, mein Schatz. Du bist so ein guter Junge …«
    Tamír erstarrte. »Nein, Mutter, ich bin kein Junge mehr …«
    Sie versuchte, sich zurückzuziehen, aber ihre Mutter hielt sie fest.
    »Mein braver, lieber Junge. Wie sehr ich dich doch liebe! Ich hatte solche Angst, als ich dich nicht finden konnte.«
    Tamír begann, sich zu wehren, dann hielten sie beide inne, als von der Straße unten das Geräusch von Reitern heraufdrang.
    Ariani ließ sie los und rannte zum Ostfenster. »Er hat uns gefunden!«
    »Wer? Wer hat uns gefunden?«, flüsterte Tamír.
    »Mein Bruder!« Arianis Augen waren vor Grauen geweitet und so schwarz wie jene Bruders, als sie zu Tamír zurückeilte und sie mit schmerzlichem Griff am Arm packte. »Er ist hier! Aber er wird uns nicht bekommen. O nein, das wird er nicht!«
    Damit zog sie Tamír auf das Westfenster zu.
     
    Ki und Arkoniel hatten sich halb die Treppe hinaufbegeben und bemühten sich zu verstehen, was Tamír sagte. Plötzlich hörten sie, wie sie nach ihrer Mutter rief und sie wegen etwas anflehte.
    Dann schwang die Tür am Kopf der Treppe mit einem so lauten Knall zu, dass Ki den Halt verlor und rücklings gegen Arkoniel stürzte.
     
    Tamír wusste zweifelsfrei, dass sie um ihr Leben kämpfte, wie sie es an jenem Tag in der Vergangenheit getan hatte. Damals war ihre Mutter zu stark für sie gewesen, und auch nun überwältigte sie ihr Geist mühelos. Gefangen in jenem unerbittlichen Griff wurde Tamír über den Boden zum Fenster geschleift, als wöge sie nicht mehr als ein Kind.
    »Nein, Mutter, nicht!«, flehte sie

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