Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
vernehmen.
Ohne abzusteigen, holte sie die Schriftrolle hervor, die Ralinus ihr gegeben hatte. »Dies sind die Worte Illiors, die mir vom Orakel von Afra übermittelt wurden.«
Als Tamír sie in Afra gelesen hatte, war sie erstaunt gewesen. Sie hatte Ralinus nicht wortwörtlich geschildert, was das Orakel tatsächlich gesagt hatte, dennoch stand es beinah genau so da.
»Höret die Worte des Orakels, Menschen von Skala.« Ihre Stimme hörte sich unter dem freien Himmel kraftlos und hoch an, und sie hatte Mühe, so laut zu sprechen, trotzdem fuhr sie fort. »›Sei gegrüßt, Königin Tamír, Tochter der Ariani, Tochter der Agnalain, wahrer Spross der königlichen Linie Skalas. Durch Blut wurdest du geschützt, und durch Blut wirst du herrschen. Du bist eine mit Blut gegossene Saat, Tamír von Skala. Durch Blut und Prüfungen musst du den Thron halten. Das Schwert wirst du aus der Hand des Thronräubers winden. Vor und hinter dir trägt ein Fluss von Blut Skala gen Westen. Dort wirst du zu meinen Ehren eine neue Stadt errichten.‹«
Verblüfftes Schweigen folgte auf ihre Worte.
»Prinz Korin bezeichnet sich in Cirna als König und schart eine Armee gegen mich«, fuhr sie fort. »Ich habe ihm Botschaften gesandt, in denen ich ihn ersuchte, seinen Anspruch aufzugeben und als mein Angehöriger geehrt zu werden. Seine einzige Antwort bestand aus Schweigen. Nun erfahre ich, dass er vorhat, mit dieser seiner Armee gen Atyion zu marschieren. So sehr es mich betrübt, ich werde mich nach den Worten des Orakels und den mir offenbarten Visionen richten. Ich bin eure Königin, und ich werde diesen Aufstand gegen den Thron niederschlagen. Werdet ihr mir folgen?«
Die Menschen jubelten und schwenkten Schwerter und bunte Banner in der Luft. Der Zuspruch wärmte Tamír das Herz und vertrieb einen Teil der Dunkelheit daraus. Korin hatte seine Entscheidung gefällt. Nun musste sie die ihre treffen, ganz gleich, wie schmerzlich die Folgen sein mochten.
Da sie ihre Pflicht somit erfüllt hatte, gab Tamír die Schriftrolle Kaliya, die dafür sorgen würde, dass sie im Tempel ausgestellt sowie vervielfältigt und im ganzen Land von Herolden verlesen werden würde.
»Das lief doch gut«, meinte Ki, als sie weiter zum Schloss ritten.
»Die Menschen lieben dich und werden dafür kämpfen, dich zu behalten«, ergänzte Tharin.
Tamír erwiderte nichts und dachte stattdessen an all das Blut, das ihr das Orakel gezeigt hatte. Sie konnte bereits spüren, wie es ihre Hände besudelte.
Sie bahnten sich den Weg durch das Torvorwerk und stellten fest, dass Lytia und ein Großteil des Haushalts des Schlosses sie auf dem Hof erwarteten. »Willkommen daheim, Majestät«, begrüßte Lytia sie, als Tamír abstieg und die steifen Beine streckte.
»Danke. Ich hoffe, es ist kein aufwendiges Festmahl vorbereitet. Ich will nur ein Bad und mein Bett.«
Auch einige der anderen Zauberer und Kinder waren zugegen.
»Wo ist Frau Iya?«, murmelte Rala.
Tamír hörte es und fragte sich, was Arkoniel ihnen erzählen und ob er selbst bleiben würde. Vorerst wich er den Fragen aus, indem er sie ablenkte und sich nach Berichten über Korin erkundigte.
Tamír ließ ihn zurück und erklomm die Stufen, zumal sie es kaum erwarten konnte, sich ungestört zu entspannen, bevor sich die Pflichten des Hofs wieder auf sie herabsenkten. Die hatte sie in keiner Weise vermisst.
Lytia begleitete sie und die Gefährten hinauf. Als Tamír ihre Zimmertür erreichte, berührte Lytia sie am Ärmel und murmelte: »Ein Wort unter vier Augen, Majestät? Es ist recht wichtig.«
Tamír bedeutete ihr, mitzukommen. Die anderen blieben draußen zurück.
Baldus lümmelte mit Ringelschweif auf dem Schoß auf einem Sessel. Er stieß die Katze von sich und sprang auf, um sich zu verbeugen. »Willkommen daheim, Königin Tamír. Soll ich das Feuer für Euch entfachen?«
»Nein, geh und sag den Bediensteten, dass ich ein Bad möchte. Und zwar ein heißes!«
Baldus eilte hinaus, glücklich darüber, seine Herrin wiederzuhaben. Tamír fragte sich flüchtig, was er wohl tat, wenn sie nicht hier war, um von ihm bedient zu werden. Sie löste das Schwert und warf es auf den verwaisten Stuhl, dann begann sie, sich mit den Schnallen ihres Brustpanzers zu plagen. Der Kater schlängelte sich um ihre Knöchel, schnurrte rau und brachte sie beinah zum Stolpern.
Lytia verscheuchte ihn und ging Tamír zur Hand. Die Königin legte ihr Kettenhemd ab und hängte es auf das dafür vorgesehene Gestell,
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