Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Tamír nicht. Als sie mit den Steinen fertig waren, legte sie eine Hand auf den knorrigen Stamm der Eiche, als wolle sie Verbindung zum Geist der im Baum eingeschlossenen Frau aufnehmen.
»Hier gibt es nichts mehr zu tun«, sagte sie schließlich. »Wir kehren besser nach Atyion zurück.«
Ki und der Zauberer wechselten einen traurigen Blick und folgten ihr, schwiegen jedoch und gestanden Tamír ihre stumme Trauer zu.
Sie hat bereits zu viel Tod erlebt, dachte Ki. Und dabei steht uns erst noch ein Krieg bevor.
Kapitel 40
Der Schmerz, den Lhels Tod verursachte, verschlimmert durch das Wissen um die Rolle, die Bruder dabei gespielt hatte, war zu schwarz und tief, um ihm Ausdruck zu verleihen. Tamír ließ diese Gefühle mit den Gebeinen der Hexe zurück und nahm nur ein betäubtes Empfinden der Bestürzung und des Verlustes mit.
Es gab keinen Grund zu bleiben, und die Feste stellte wieder einen Ort mit zu vielen schlimmen Erinnerungen dar. Sie brachen noch am selben Tage auf.
Nari und Köchin küssten sowohl sie als auch Ki über und über, dann weinten sie in ihre Schürzen, als sie sich letztlich verabschiedeten. Während sie den Fluss entlangritten, drehte sich Tamír um und schaute ein letztes Mal zum Turm zurück. Der zerbrochene Laden des Ostfensters hing immer noch an einer verbogenen Angel. Zwar sah sie kein Gesicht in der Öffnung, dennoch hätte sie schwören können, Augen im Rücken zu spüren, bis sie in den Schutz der Bäume gerieten.
Es tut mir leid, Mutter. Vielleicht ein anderes Mal.
Ki beugte sich herüber und berührte sie am Arm. »Lass es hinter dir. Du hast getan, was du konntest. Arkoniel hat Recht. Manche Dinge lassen sich nicht wiedergutmachen.«
Womöglich stimmte das, trotzdem hatte Tamír das Gefühl, versagt zu haben.
Jenen Tag hindurch ritten sie forsch, und in jener Nacht schliefen sie in ihre Mäntel gehüllt. Als Tamír zwischen den anderen lag, berührte sie die Wunde am Kinn und ließ die Gedanken um Ki und darum kreisen, wie es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen und in seinen Armen einzuschlafen.
Er lag in Reichweite, doch sie konnte ihn nicht berühren. Als sie sich gerade wegdrehen wollte, öffnete er die Augen und lächelte.
Das war fast so gut wie ein Kuss.
Tamír überlegte, was sie tun sollten, wenn sie wieder im Schloss bei so vielen wachsamen Augen wären.
Als sie sich noch einen halben Tagesritt von der Ortschaft entfernt befanden, schickte Tamír Luchs und Tyrien los, um ihre wohlbehaltene Rückkehr anzukündigen. Als Atyion früh an jenem Abend in Sicht geriet, erhellten Fackeln und Laternen den Ort. Entlang der Hauptstraße hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden, die es kaum erwarten konnte zu erfahren, was das Orakel ihrer Königin offenbart hatte. Illardi kam ihr beritten am Stadttor entgegen, bekleidet mit dem Gewand und der Kette seines Amtes. Kaliya, oberste Priesterin des Illior-Tempels von Atyion, und Imonus waren bei ihm.
»Majestät, hat das Orakel zu Euch gesprochen?«, erkundigte sich Imonus.
»Ja«, antwortete sie laut genug, um von jenen gehört zu werden, die sich um den kleinen Platz versammelt hatten.
»Wenn Ihr so freundlich wärt, Majestät, würdet Ihr es uns auf dem Tempelplatz mitteilen?«, fragte Kaliya.
Tamír nickte und führte ihr Gefolge zum Platz der Vier. Illardi beugte sich im Sattel zu ihr. »Ich habe Neuigkeiten für Euch, Majestät. Dieser junge Bursche von Arkoniel – Eyoli – hat vor einigen Tagen mittels einer Taube eine Botschaft aus Cirna geschickt. Korin bereitet sich darauf vor, gegen Euch ins Feld zu ziehen. Anscheinend hat seine neue Gemahlin endlich empfangen.«
»Ist er bereits unterwegs?«, wollte Tharin wissen.
»Dem heutigen Bericht zufolge nicht, aber nach dem zu urteilen, was uns die Zauberer von den Lagern zeigen, sind sie so gut wie bereit zum Abmarsch.«
»Sobald wir hier fertig sind, setze ich mich mit Eyoli in Verbindung«, murmelte Arkoniel.
Obwohl sich Tamír kaum überrascht zeigte, sank ihr Mut. »Bestell ihm meinen Dank. Und benachrichtige Gedre und Bôkthersa. Die Gesandten sollten mittlerweile zu Hause sein. Ich werde mit Euch, Großkanzler, und meinen Generälen reden …«
»Morgen ist noch früh genug, Majestät. Ihr seid erschöpft, das merke ich. Ruht Euch heute Nacht aus. Ich habe schon mit den Vorbereitungen begonnen.«
Menschen verstopften die Aufgänge der vier Tempel. Weitere standen auf Dächern, um die erste offizielle Prophezeiung ihrer Herrscherin zu
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