Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
aufgehetzt hatte.«
»Das glaube ich nicht!« rief Sephrenia.
»Bhelliom kann die Wahrheit bestätigen, Sephrenia«, entgegnete Xanetia ruhig. »Und falls ich mein Wort durch Lügen gebrochen habe, ist Ritter Kalten bereit, mir das Leben zu nehmen. Fragt mich, Schwester, und Ihr werdet hören, daß ich die Wahrheit spreche.«
»Zalasta sagte uns, daß Euer Volk, die Delphae, die Leibeigenen gegen uns aufgewiegelt hatten!«
»Er hat Euch belogen, Sephrenia. Sein Verdruß war groß, als er erfuhr, daß Aphrael – und Ihr – noch am Leben wart. Er griff nach dem ersten Gedanken wie nach einem rettenden Strohhalm und schob seine Schuld auf mein Volk ; denn er wußte, daß Ihr gewiß das Schlimmste über jene glauben würdet, die zu hassen Ihr ohnehin geneigt wart. Zalasta hat Euch seit Eurer Kindheit getäuscht, Sephrenia von Ylara, und er würde Euch weiterhin täuschen, hätte Anakha ihn nicht gezwungen, sein wahres Selbst zu offenbaren.«
»Deshalb haßt Ihr die Delphae so sehr, nicht wahr, Sephrenia?« fragte Ehlana. »Ihr habt gedacht, sie wären für den Mord an Euren Eltern verantwortlich.«
»Und Zalasta, der sich stets bemühte, seine Schuld zu verbergen, nutzte jede Gelegenheit, Sephrenia an diese Lüge zu erinnern«, fuhr Xanetia fort. »Wahrlich, er hat in all den Jahrhunderten ihr Herz mit Haß gegen die Delphae gefüllt, damit sie nie auch nur auf den Gedanken käme, ihm unliebsame Fragen zu stellen.«
Sephrenias Gesicht zuckte. Sie senkte den Kopf, bedeckte es mit den Händen und begann zu weinen.
Xanetia seufzte. »Die Wahrheit hat Sephrenias Leid und ihre Trauer zurückgebracht. Sie weint um ihre seit vielen Jahrhunderten toten Eltern.« Sie wandte sich an Alean. »Bringt sie irgendwohin, wo Ihr allein mit ihr seid, sanfte Maid, und tröstet sie. Sie braucht jetzt das Mitgefühl anderer Frauen. Die Flut ihrer Tränen wird bald versiegen – und dann wehe Zalasta, sollte er ihr je in die Hände fallen!«
»Oder mir«, fügte Vanion düster hinzu.
»Siedendes Öl ist gut, Eminenz«, meinte Kalten. »Kocht ihn bei lebendigem Leib.«
»Widerhaken sind auch nicht schlecht«, warf Ulath ein. »Lange, spitze Widerhaken.«
»Muß das sein?« Sarabian schauderte.
»Zalasta hat Sephrenia sehr weh getan, Majestät«, sagte Kalten. »Es gibt fünfundzwanzigtausend Pandioner – und eine ganze Menge Ritter anderer Orden –, die das sehr persönlich nehmen werden. Zalasta mag sich ganze Gebirgszüge über den Kopf ziehen, wir werden ihn trotzdem finden! In einem solchen Fall kennen wir Ritter keine Gnade. Wenn jemand unseren Lieben weh tut, vergessen wir unsere gute Erziehung.«
»Das stimmt«, murmelte Sperber.
»Wir entfernen uns vom eigentlichen Thema, meine Herren«, erinnerte Ehlana. »Zalastas Strafe beschließen wir, wenn wir ihn haben. – Wann wurde er in diese Sache verwickelt, Xanetia? Ist er wirklich mit Cyrgon verbündet?«
»Das Bündnis wurde durch Zalasta herbeigeführt, Königin von Elenien. Sein Versagen im Wald von Astel und sein Schuldbewußtsein führten zu tiefster Verzweiflung und Schwermut. Er wanderte durch die Welt, gab sich manchmal den furchtbarsten Ausschweifungen hin und hauste dazwischen immer wieder, manchmal jahrzehntelang, als Einsiedler in dieser und jener Wildnis. Er suchte jeden namhaften styrischen Magier auf – ob von gutem oder schlechtem Ruf – und eignete sich alle ihre Geheimnisse an. So wurde Zalasta zum herausragendsten aller Styriker in den vierzig Äonen ihrer Geschichte. Doch Wissen allein vermochte ihn nicht zu trösten. Aphrael lebte immer noch, und Sephrenia war nach wie vor an sie gebunden. Doch Zalastas schier grenzenloses Wissen ließ ihn eine Möglichkeit erkennen, das Band zwischen Aphrael und Sephrenia zu zerreißen. Zu Anbeginn der Zeit hatte der Trollzwerg Ghwerig im fernen Thalesien Bhelliom geschmiedet, und Zalasta wußte, daß sein Herzenswunsch sich mit Bhellioms Hilfe vielleicht erfüllen ließe.
Dann kam es zur Geburt Anakhas, die darauf hindeutete, daß Bhelliom selbst bald an jenem Ort auftauchen würde, an dem er versteckt gewesen war. Ausgestoßene Styriker sahen durch Zeichen, Orakel und auf verschiedene andere Weise diese Geburt voraus. Sie rieten Zalasta, geradenwegs nach Eosien zu reisen und Anakha in seiner Kindheit und Jugend zu beobachten, um ihn gut kennenzulernen. Zalasta hoffte, Anakha den Stein zu jener Stunde, da er ihn ans Tageslicht brachte, entreißen zu können und dadurch die Macht über die Kindgöttin zu
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