Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
hatte ich befürchtet. Deshalb spielte ich ja den Einfältigen.«
»Hat Zalasta Euch gesagt, wer wirklich hinter dieser Sache steckt?« fragte Oscagne.
»Er hat vorzutäuschen versucht, daß er für Cyrgon sprach«, antwortete Kolata. »Das haben wir natürlich nicht ernstgenommen. Styriker sind merkwürdige Leute. Stets möchten sie uns glauben machen, daß sie irgendeine höhere Macht vertreten. Offenbar wollen sie nie selbst die volle Verantwortung übernehmen. Aber soweit ich weiß, war es Zalasta, der alles ausgeheckt hat.«
»Dann wäre es vielleicht an der Zeit, es von Zalasta selbst zu hören.«
»Habt Ihr ihn irgendwo im Ärmel versteckt, Vanion?« fragte Ehlana.
»Gewissermaßen, ja, Majestät. Kalten bringt den Innenminister in sein Gemach zurück. Er sieht ein wenig müde aus, unser Freund Kolata.«
»Ich habe noch ein paar Fragen an ihn, Hochmeister Vanion!« wandte Oscagne ein.
»Du wirst deine Antworten bekommen, alter Junge«, versprach Itagne. »Schneller und ausführlicher. Du quälst dich zu lange mit Einzelheiten herum, Oscagne, das ist einer deiner Fehler. Wir treiben die Dinge voran!«
Vanion wartete, bis Kalten und Ulath den Innenminister aus dem Saal gebracht hatten. »Wir haben euch allen gegenüber erwähnt, daß Xanetia weiß, was andere denken. Ihre Fähigkeit beschränkt sich aber nicht bloß auf eine vage Auslegung von Gefühlen oder Stimmungen. Wenn sie möchte, kann sie die Gedanken anderer Wort für Wort wiedergeben. Die meisten von euch werden das wahrscheinlich nicht recht glauben. Um Zeit zu sparen, ist es deshalb wohl das beste, wenn Xanetia uns jetzt zeigt, wie das vor sich geht. Hättet Ihr die Güte, Anarae, uns zu sagen, was Königin Ehlana in diesem Augenblick denkt?«
»Wie Ihr wünscht, Hochmeister Vanion. Ihre Majestät ist momentan sehr zufrieden mit sich. Eure Unterbrechung gefällt ihr jedoch weniger. Sie freut sich über Kaiser Sarabians Fortschritte und meint, daß von nun an zumindest ein wenig Kompetenz von ihm zu erwarten ist. Außerdem hat sie gewisse Pläne intimer Art mit ihrem Gemahl, denn besondere politische Aktivitäten erregen sie immer ganz besonders.«
Ehlanas Gesicht glühte. »Hört sofort damit auf!« rief sie heftig.
»Es tut mir leid, Majestät«, entschuldigte sich Vanion. »Mit letzterem hatte ich nicht gerechnet. Aber hat Xanetia Eure Gedanken richtig gelesen?«
»Ihr wißt, daß ich das nicht beantworten werde, Vanion.« Das Gesicht der Königin war immer noch flammend rot.
»Würdet Ihr wenigstens einräumen, daß sie Zugang zu den Gedanken anderer hat?«
»Ich habe ja schon davon gehört«, murmelte Sarabian nachdenklich. »Aber bisher hielt ich es nur für eine weitere der verrückten Mären über die Leuchtenden.«
»Bhelliom kann es bestätigen, Kaiser Sarabian«, versicherte Sperber. »Xanetia liest in den Gedanken anderer wie in einem offenen Buch. Ich könnte mir vorstellen, daß sie Zalasta gewissermaßen von der ersten bis zur letzten Seite gelesen hat. Vermutlich kann sie uns alles sagen, was wir über ihn und von ihm wissen wollen.« Er blickte Xanetia an. »Könntet Ihr uns eine Zusammenfassung von Zalastas Leben geben, Anarae?« fragte er. »Seit er im Thronsaal sein wahres Ich zeigte, ist Sephrenia sehr bedrückt. Vielleicht fällt es ihr leichter, seine Beweggründe zu verstehen, wenn sie die Ursachen kennt.«
»Ich kann für mich selbst reden, Sperber!« wies Sephrenia ihn scharf zurecht.
»Daran habe ich nie gezweifelt, kleine Mutter. Ich bin nur als Verbindungsmann aufgetreten. Ihr und Xanetia versteht Euch ja nicht besonders gut.«
»Warum nicht?« fragte Sarabian interessiert.
»Eine alte Feindschaft, Majestät«, erklärte Xanetia. »So alt, daß kein Lebender mehr den Grund dafür kennt.«
» Ich kenne ihn«, knirschte Sephrenia, »und so alt ist er gar nicht.«
»Hört Euch erst einmal an, was ich in Zalastas Geist gelesen habe, und urteilt dann, Sephrenia von Ylara.«
Kalten und Ulath kehrten zurück und nahmen wortlos ihre alten Plätze ein.
»Zalasta wurde vor einigen Jahrhunderten in der styrischen Ortschaft Ylara geboren, die in dem Wald nahe Cenae in Nordastel lag«, begann Xanetia. »Als er sein siebentes Lebensjahr erreichte, wurde in derselben Ortschaft jene geboren, die wir als Sephrenia kennen. Sie ist eine der tausend styrischen Lehrerinnen und Lehrer. Sephrenia unterwies pandionische Ritter in den Geheimnissen von Styrikum; sie ist die Ratgeberin von Elenien und wird von Hochmeister
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