Tango Mosel
den kalten Rest Kaffee.
Nach einer Weile stand er auf und ging um das Haus herum. Neben seinem Wagen stehend versuchte er Susanne Hörmann auf der Baustelle anzurufen. Dort war sie nicht. In ihrem Kölner Büro hatte man angeblich den ganzen Tag noch nichts von ihr gehört. Ihr Mobiltelefon war ausgeschaltet, sodass er ihr nicht einmal eine Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen konnte.
*
Im Präsidium fand Walde seine Kollegen Grabbe und Gabi im Konferenzraum der Leitstelle. Dort sahen sich die beiden zusammen mit einem Pförtner die Bänder vom frühen Morgen aus den Videokameras im Eingangsbereich des Krankenhauses an. Ein paar Minuten lang beobachtete er wie sie immer wieder das Bild anhielten, um nicht den Überblick auf dem Monitor zu verlieren, wenn mehrere Leute gleichzeitig auf das Haus zuströmten.
»Der Frühdienst des Pflegedienstpersonals um sechs war zum Glück schon durch«, sagte Grabbe, ohne vom Bildschirm aufzusehen, »aber es kommen immer noch genug Leute aus Verwaltung, Ambulanzen, Laboren, Küche, vom Reinigungsdienst und natürlich Ärzte zur Arbeit. Leider gibt es so früh auch schon Besucher und natürlich Patienten und, und, und.«
»Wie war’s im Grundbuchamt?«, fragte Walde.
»Machen wir mal eine Pause?«, fragte Grabbe und hielt ohne eine Antwort abzuwarten, die Geräte an.
»Was halten Sie von einer Rauchpause?«, fragte Gabi den Pförtner.
»In Ordnung, ich komme mit raus, solange ich nicht mitrauchen muss«, antwortete dieser und folgte Gabi aus dem Zimmer.
Grabbe nahm seine Brille ab und fuhr sich mit der linken Hand über Augen und Nase. »Ich war im Gericht wegen der Vormundschaft, also wegen der Betreuung von Frau Wohlenberg, und hab die Gelegenheit genutzt, gleich im Katasteramt nach ihren Grundbucheintragungen zu sehen. Frau Wohlenberg hat keine Einträge, aber …« Er grinste. »Frau Wieskind besitzt zwei weitere Immobilien. Unter anderem ein als Wochenendhaus deklariertes, von der Fläche und Lage her imposantes Anwesen oberhalb eines Dorfs an der Kyll.«
»Wo sie vorher gewohnt hat?«, fragte Walde.
»Residiert ist der bessere Ausdruck«, sagte Grabbe. »Und da ich schon mal an der Quelle war, habe ich auch nachgesehen, wer der frühere Besitzer war. Ein allein stehender Mann, muss wohl verwirrt oder wehrlos genug gewesen sein, dass Frau Wieskind dafür sorgen konnte, dass er in einer Pflegeeinrichtung untergebracht wurde. Ich hab da angerufen. Das ist eine sehr gediegene Einrichtung mit angeschlossenem Bauernhof, wo vornehmlich Menschen mit geistigen Behinderungen arbeiten. Zum einen beliefern sie ein Krankenhaus mit Agrarprodukten, zum anderen kassiert das Krankenhaus, dem die Einrichtung gehört, einen dicken Batzen für Unterbringung und Betreuung.«
»Und die bezahlt der Staat?«
»In den meisten Fällen«, sagte Grabbe. »Die Summe, die der unter Betreuung gestellte Mann von Frau Wieskind für das Haus erhalten hat, hat höchstens für zwei, drei Jahre gereicht, seither muss wohl der Staat herhalten.«
»Und was kriegt Frau Wieskind für das Gutachten im Fall Evelyn Wohlenberg?«
»Es würde mich nicht wundern, wenn sie nach der Eröffnung der City-Passage dort in eine schicke Praxis einzieht, mietfrei oder zu einem Spottpreis.«
Walde seufzte.
»Dagegen hätten weder wir noch das Finanzamt eine Handhabe«, fuhr Grabbe fort. »Wie ich gehört habe, ist es nicht ungewöhnlich, dass in neuen Großprojekten hin und wieder ein Laden oder eine Praxis keine oder nur eine ganz geringe Miete zahlt, gewissermaßen als Lockvogel.«
»Mist, hätte ich das vor meinem Besuch gewusst, Frau Wieskind hätte womöglich gar nicht genug Beruhigungstropfen im Haus gehabt.« Walde wurde von seinem klingelnden Mobiltelefon abgelenkt. Die Pforte des Präsidiums teilte ihm mit, dass ein Anwalt ihn dort dringend persönlich zu sprechen wünsche.
Walde versuchte seine Überraschung zu verbergen, als er im Eingangsbereich des Präsidiums Niko Haupenberg sah. Jahre nach seinem Karriereknick verteidigte der ehemals gefragteste Rechtsanwalt der Stadt immer noch seinen Ruf als bestgekleidetster Vertreter seiner Zunft. Erst als Walde die ihm entgegengestreckte Hand des geschäftsmäßig lächelnden Mannes ergriff, entdeckte er die blonde Frau, die sich hinter dem groß gewachsenen Anwalt zu verstecken schien.
»Frau Hörmann!« Walde vergaß für einen Moment den Mund zu schließen.
Auf dem Weg zum Vernehmungsraum rief Walde seine Kollegin Gabi zur Unterstützung.
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