Tango Mosel
der Zeuge war, der die Frau und den Mann beim Wegschaffen der Leiche auf der Baustelle beobachtet hat. Und zwar vor heute früh!«
»Jemand muss ihr geholfen haben.« Sie ging auf die sich öffnende Tür zu. »Thomas Wohlenberg könnte Kaspar Schreiner gekannt haben.«
»Vielleicht hilft uns die Auswertung der Videoaufnahmen der Kamera im Eingangsbereich. Wir lassen die Bänder mit der Tatzeit abgl …«
»… weißt du, wie viele Leute in so einer Klinik arbeiten?«, unterbrach sie ihn. »Der Hausmeister ist zwischen sechs Uhr und sieben Uhr dreißig gestorben, da kommen Hunderte hierher zur Arbeit. Das ist wie die Nadel im Heuhaufen.«
»Ist mir klar, Grabbe wird dir helfen, wir benötigen dazu die Bilder aller Tatverdächtigen, Thomas Wohlenberg, Susanne Hörmann, Corinna Wieskind, Kurt Anweber, Rocky und, nicht zu vergessen, Martin Kotte.«
Gabi verdrehte die Augen. Walde fragte sich, ob es wegen der Videoaufnahmen war oder der Erwähnung ihres neuen Lovers.
Im Eingangsbereich der Klinik rief Walde Corinna Wieskind an, während sich Gabi wieder eine Zigarette anzündete. Diesmal erreichte er Corinna Wieskind zwischen zwei Therapiestunden. Er musste ihr energisch klarmachen, dass ein Gespräch mit der Kriminalpolizei nicht wie ein neuer Patiententermin auf die lange Bank geschoben werden konnte. Sie verabredeten sich in der Mittagszeit bei ihr zu Hause.
»Von denen da«, Gabi deutete auf die beiden abgewinkelten Kameras über der Pforte, »besorgen ich mir jetzt mal die Bänder.«
»Am besten kommt einer von der Pforte hinzu, der mit dem Krankenhauspersonal vertraut ist, wenn ihr die Bänder durchseht. Ich fahr dann mal zu Frau Wieskind.«
Es war kurz vor Mittag. Walde entschloss sich, die Zeit bis zu seinem Besuch dafür zu nutzen, zu Hause vorbeizuschauen. In der Wohnung war niemand, ein Blick durchs Küchenfenster in den Garten sagte ihm, dass Doris mit Quintus unterwegs sein musste.
Als er einen Blick in den Kühlschrank warf, klingelte es an der Wohnungstür.
»Das wurde für Sie gebracht.« Die Nachbarin der Wohnung über ihm lächelte ihn an. In den Händen hielt sie zwei kleine Kartons. Erst nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte und die Namen der Absender las, fiel Walde ein, dass er die Frau hätte darum bitten sollen, zukünftig keine Sendungen mehr für ihn anzunehmen. Er öffnete vorsichtig die Sendungen, ohne die Verpackung zu beschädigen. Im ersten Karton fand er eine Büchersendung von einem Buchklub mit Begleitschreiben, in dem er als neues Mitglied begrüßt wurde und eine Rechnung. Im zweiten sendete ihm ein Friseurbedarfshandel eine sündhaft teure Creme, die er angeblich über Ebay gekauft hatte.
Kurz nach zwölf fuhr Walde am Amphitheater vorbei die Serpentinen des Petrisbergs hinauf. Er war allein. Gabi wollte nicht bei der Befragung von Corinna Wieskind dabei sein. Martin musste nicht unbedingt von seiner Partnerin aus der Praxis erfahren, dass seine neue Freundin bei der Polizei arbeitete. Das wollte Gabi ihm lieber selbst beibringen.
Der Wagen hatte schnell Höhe gewonnen. Walde fuhr nun langsamer und schaute zwischen Weinstöcken hinunter auf die Stadt, über die ein heller Streifen Sonnenlicht in einer Wolkenlücke wanderte. An der Straße standen nur vereinzelt Häuser. Vor einem mit rotem Backstein verkleideten Bungalow parkte ein schwerer Geländewagen. Soviel zu dem nicht im Besitz befindlichen Auto dachte Walde, als er seinen Wagen daneben abstellte. Ein gleichmäßiges Rauschen drang aus der Stadt herauf.
Corinna Wieskind öffnete ihm mit einem professionellen Lächeln die Tür. Walde schätzte die große dunkelhaarige Frau auf Mitte bis Ende fünfzig.
»Ist es Ihnen draußen zu kühl?«
Als er ihre Frage verneinte, führte sie ihn durch ein terrakottagefliestes Wohnzimmer über eine Terrasse zu einer höher gelegenen Laube neben dem Haus. Auf einem runden Tisch standen zwei Kaffeetassen neben einer Thermoskanne. Von hier hatte man einen freien Blick hinunter zur Stadt auf den Dom und Liebfrauen.
Ein lautes Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit ab. Bald darauf arbeitete sich ein Mann mit einer elektrischen Schere um die exakt gestutzte Hecke herum, die das Grundstück seitlich zum Weinberg abgrenzte. Er trug einen grünen Arbeitsanzug mit Helm und Schutzbrille.
»Ich hasse dieses Motorengeräusch.« Frau Wieskind verzog genervt das Gesicht, während sie Kaffee einschenkte. »Aber seit seiner Pensionierung stürzt er sich geradezu auf alle
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