Tango Vitale
Freundlichkeit im Sinne der Big Five in die Wiege gelegt wurde, und brauchen nur Ihrem Naturell zu folgen. Doch die meisten von uns benötigen dazu ein bisschen Training. Wie im Sport muss der Freundlichkeitsmuskel täglich benutzt werden, damit er wächst und das Verhalten zur Routine wird. Erfahrungsgemäß braucht es circa 21 Tage, bis eine Handlung in Fleisch und Blut übergeht.
Wahrscheinlich sind Sie aus dem Alter heraus, in dem man begeistert mit einem Fähnlein-Führer durchs Unterholz robbt, doch das alte Pfadfinder-Motto »Jeden Tag eine gute Tat« kann Sie trotzdem weit bringen. Nehmen Sie sich vor, in den nächsten drei Wochen jeden Tag (mindestens) eine Freundlichkeit weiterzugeben, die sich nicht unmittelbar für Sie auszahlt. Zur Anregung finden Sie hier eine kleine Auswahl:
Machen Sie ein Kompliment, und zwar möglichst persönlich und genau: »Das Blau Ihrer Bluse harmoniert so schön mit Ihren Augen.«
Schneiden Sie einen Zeitungsartikel aus, der jemanden aus Ihrem Bekanntenkreis interessieren könnte, und schicken Sie ihm den.
Verschenken Sie etwas von Ihrer Arbeit. Ganz konkret, wenn Sie materielle Dinge herstellen, oder in Form von Zeit und Leistung, indem Sie zum Beispiel einer Kollegin sagen: »Geh ruhig einen Kaffee trinken, ich übernehme dein Telefon.« Oder Ihren Nachbarn fragen: »Ich fahre ins Gartencenter. Kann ich Ihnen etwas mitbringen?«
Bringen Sie der Arzthelferin in der Praxis, die Sie aufsuchen, eine |189| Süßigkeit mit. Bei dem üblichen Stress dort kann sie »Nervennahrung« gewiss gut gebrauchen.
Kaufen Sie jemandem etwas ab, auch wenn Sie es nicht benötigen. Eine Obdachlosenzeitung, eine Rose vom Rosenverkäufer im Restaurant, ein Comic-Heft von dem kleinen Jungen auf dem Flohmarkt.
Geben Sie ein Buch weiter, das Sie ausgelesen haben und nicht unbedingt behalten wollen. Falls Sie niemanden wissen, den es interessiert, setzen Sie es bei schönem Wetter auf einer Parkbank aus. Es wird Liebhaber finden.
Falls Sie gut kochen oder backen: Bringen Sie eine Kostprobe mit. Zum Beispiel ein Stück Torte ins Büro oder ein Schüsselchen von Ihrem köstlichen indonesischen Reissalat.
Wenn Sie beim Shoppen eine Kleinigkeit sehen, bei der Sie spontan an eine bestimmt Person denken, dann kaufen Sie es. Geben Sie eine gute Adresse weiter. Zum Beispiel von Ihrem Frisör, einem Künstler mit Scherenhänden oder von dem Reiseveranstalter, der ganz besondere Touren anbietet.
Einzahlung auf die Bank des Universums
Auch wenn nicht immer unmittelbar etwas zurückkommt, bin ich fest davon überzeugt, dass sich freundliches Verhalten auf die Dauer lohnt. Die positive Energie, die Sie auf diese Weise verbreiten, wirkt sich in jedem Fall aus. Sie selbst fühlen sich gut. Außerdem zieht Ihre Freundlichkeit Kreise wie ein ins Wasser geworfener Stein. Gewiss kennen Sie die oft zitierte Negativkette: Chef brüllt Mann an. Mann meckert mit Frau. Frau schimpft mit Kind. Kind tritt Hund.
Diesen Domino-Effekt gibt es auch im positiven Bereich. Mit Ihrer Freundlichkeit sind Sie der Ausgangspunkt, von dem aus die Welt um Sie herum ein bisschen lebenswerter wird. Nach dem Gesetz der Resonanz |190| kommt das früher oder später auf vielfältige Weise zu Ihnen zurück.
Irgendwo habe ich gelesen, Freundlichkeit sei eine Einzahlung auf die Bank des Universums. Ein schönes Bild, zumal Schicksal und Universum doch offenbar recht nahe beieinander liegen. Stellen Sie sich vor: Jedes Mal, wenn Sie zu jemandem freundlich sind, schreibt Ihnen Ihr himmlischer Banker eine ideelle Summe gut. Wenn sich dann genug auf Ihrem Freundlichkeitskonto angesammelt hat, ist Zahltag.
|191| Kairos – Der günstige Augenblick
Im 4. Jahrhundert vor Christus stand im Vorhof eines Tempels in der griechischen Stadt Sykion eine merkwürdige Statue. Wie bei einer Punkfrisur trug sie über der Stirn ein üppiges Haarbüschel und am Hinterkopf eine Glatze, an ihren Schuhen klebten kleine Flügel. Zwar ist die Statue heute verschollen, eine Erläuterung dazu ist uns aber von dem griechischen Dichter Poseidippos in einem Sinngedicht überliefert: Es handelt sich um Kairos, den Gott des günstigen Augenblicks. Er trägt vorne eine üppige Haarlocke, damit ihn diejenigen, denen er begegnet, daran festhalten können – die Redensart »die Gelegenheit beim Schopfe fassen« wird auf diese Darstellung des Gottes zurückgeführt. Seine kahle Kopfpartie sorgt dafür, dass ihn keiner mehr von hinten greifen kann, sobald er einmal
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