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Tango Vitale

Tango Vitale

Titel: Tango Vitale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Wlodarek
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Präsentierteller zu stehen, war doch ziemlich aufregend.
    Im Nachhinein wurde mir klar, warum sich alle so freundlich und kooperativ verhielten: Zum einen funktionierte auf diese Weise das komplizierte Zusammenspiel reibungslos, aber vor allem wurden mit Sicherheit nur diejenigen für das nächste Projekt wieder gebucht, mit denen das Arbeiten angenehm war.
    »Ist doch logisch«, sagen Sie jetzt vielleicht. »Selbstständige müssen freundlich sein, damit sie Aufträge bekommen. Aber ich bin angestellt, und bei uns ist das zumindest intern nicht so existenziell wichtig.« Da wäre ich mir nicht so sicher. Zugegeben, oft sieht es lange Zeit so aus, als könnten sich Menschen, besonders solche in Machtpositionen, erlauben, auf Freundlichkeit zu verzichten. Könnten straflos launisch und arrogant sein, Mitarbeiter schikanieren und demütigen. Interessant wird es allerdings, wenn man sich das Schicksal dieser Personen auf die Dauer anschaut. Denn so ein Verhalten kann man sich nur leisten, solange man sich in einer überlegenen Position befindet. Sobald diese Menschen die äußeren Zeichen ihrer Stärke verlieren, fallen sie tief. Plötzlich sind sie einsam, weil niemandem daran liegt, mit ihnen weiterhin Kontakt zu halten. Und auch einem Festangestellten kann schon morgen die Kündigung ins Haus flattern. Dann trägt nur |182| noch eine gute persönliche Verbindung. Da müssen sich einige notgedrungen auf Freundlichkeit umstellen, weil ihnen sonst das Schicksal in Sachen Erfolg die rote Karte zeigt.
    Vor Jahren erhielt ich den Auftrag, eine Artikelserie zu psychologischen Themen für eine Zeitschrift zu schreiben. Die dafür zuständige Ressortleiterin zeichnete sich nicht gerade durch Verbindlichkeit aus und behandelte ihre Mitarbeiterinnen ziemlich barsch. Das bekam ich ebenfalls zu spüren. Einige Zeit später wurde ihr gekündigt, und sie musste sich auf dem freien Markt mit verschiedenen Projekten über Wasser halten. Für eines brauchte sie einen Experten-Kommentar und rief mich deshalb an. Erstaunt hörte ich, wie sie mich am Telefon in ihrem üblichen Befehlston anbellte, ich solle ihr so schnell wie möglich ein Interview geben. Plötzlich wurde ihr wohl bewusst, dass sich die Verhältnisse geändert hatten. Sie war nicht mehr Ressortleiterin, sondern jemand, der eine Bitte an mich richtete. Mitten im Satz schlug ihre Stimme um und klang sanft und liebenswürdig. Aus der forschen Anweisung wurde eine höfliche Anfrage.
    Wir sollten uns bemühen, freundlich zu allen Menschen zu sein, mit denen wir beruflich zu tun haben, nicht nur zum Geschäftsführer, sondern auch zur Telefonistin am Empfang und zu dem Boten, der die Post bringt. Auf diese Weise wird es uns zur Gewohnheit. Das kann irgendwann einmal entscheidend sein, wenn wir gar nicht damit rechnen. Linda Kaplan Thaler und Robin Koval belegen das mit der folgenden Geschichte aus ihrem Umfeld.
    Drei Beratungsgesellschaften konkurrierten um einen äußerst lukrativen Auftrag. Eine der Gesellschaften flog aus dem Rennen, obwohl sie eine hervorragende Präsentation abgeliefert hatte. Der Grund dafür war eigentlich marginal: Einer ihrer Manager hatte es am Flughafen unterlassen, der Geschäftsführerin des Kunden mit ihrem Gepäck zu helfen. Über seine Unhöflichkeit und den Mangel an Manieren war sie so erbost, dass sie spontan entschied, mit dieser Gesellschaft kein Geschäft zu machen.
    |183| Man stelle sich vor: Da hat nun ein ganzes Team Tag und Nacht dafür gearbeitet, einen potenziellen Kunden mit einer großartigen Präsentation für sich zu gewinnen – und dann verlieren sie den Auftrag wegen einer kleinen Unfreundlichkeit. Ziemlich bitter. Lassen wir mal dahingestellt, ob die Empfindlichkeit der Dame professionell war, interessanter ist die Frage, warum sich der Manager nicht um den Koffer gekümmert hatte. Die PR-Ladies Kaplan und Thaler beantworten sie so: »Ganz einfach: Er war unerfahren in der Kunst des Nettseins. Wäre sie Bestandteil seines üblichen Umgangs mit anderen gewesen, so wäre ihm dieser Lapsus nie unterlaufen. Den Koffer einer potenziellen Kundin zu nehmen wäre ihm zur zweiten Natur geworden statt eine Geste, die hin und wieder ausschließlich Vorgesetzten und Top-Kunden vorbehalten ist. Ihm wäre klar gewesen, dass selbst kleine Gesten und Handlungen enorme Auswirkungen zeitigen können.« 49
    Ein schöner Nebeneffekt konsequenter Freundlichkeit: Manchmal kann man damit sogar Vorgesetzte und Kollegen zu liebenswürdigerem

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