Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer
etwa die Hälfte in der sansibarischen Nelkenproduktion verblieb, die andere Hälfte war für den Verkauf nach Arabien, Persien und an die französischen Landbesitzer im heutigen Mauritius und La Réunion bestimmt. Der mächtigste und berüchtigtste Sklavenhändler dieser Zeit, Tipu Tip , wurde beispielsweise so wohlhabend, dass er sich einen Harem von über 30 Konkubinen samt Kindern nebst seiner Erstfrau und deren Kindern leisten konnte.
Der geschäftstüchtige Sultan führte intensive Handelsbeziehungen mit europäischen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich-Ungarn. So wurden die exotischen Gewürze der mitteleuropäischen Küche u. a. aus Sansibar importiert – was wäre der österreichische Apfelstrudel ohne Zimt oder Nürnberger Lebkuchen ohne Gewürznelken und Kardamom?
Als Sultan Sayyid Said 1856 starb, hinterließ er seinen Söhnen ein florierendes Reich. Wegen Erbstreitigkeiten brach es allerdings auseinander; das Sultanat Muskat fiel an den Sohn Thuwein, und Majid übertrug man die Führung Sansibars sowie der ganzen ostafrikanischen Küste. Majid, und ab 1870 sein Sohn Barghash , regierten als fortschrittliche Sultane; die wirtschaftliche Blüte hielt an, vor allem dank der Fertigstellung des Suezkanals 1869, der den Handel zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean erleichterte. Unter Barghash wurde nicht nur ein Großteil der pittoresken Gebäude in Stone Town erbaut, sondern vor allem die Stadt modernisiert. Der Sultan ließ elektrische Straßenbeleuchtung installieren; mithilfe eines Aquädukts wurde sauberes Trinkwasser in die Stadt geleitet, der Straßenbau wurde forciert und eine Polizeieinheit zum Schutz der Bevölkerung gebildet. Barghash finanzierte daneben auch die jährliche Pilgerfahrt der Moslems nach Mekka.
Als die aggressive Afrikapolitik der deutschen Kolonialherren in den 1870er-Jahren das Reich der Sansibaris, das sich mittlerweile bis zum Tanganyika-See sowie nach Kenia und Mosambik ausgebreitet hatte, bedrohte, begann der schleichende Untergang des Sultanats. Schritt für Schritt musste der Sultan seine Ländereien auf dem Festland abgeben, im Jahr 1890 bestand das Reich de facto nur mehr aus Unguja und Pemba. Ab 1885 unterstand das Sultanat dem Deutschen Reich, 1890 wurde es an das britische Kolonialreich abgetreten. Zwar wurde Sansibar weiterhin bis 1964 von (insgesamt acht) Sultanen regiert, jedoch standen diese bis zum Ende des Sultanats unter der Aufsicht der Kolonialverwaltung.
Der politischen Entmachtung folgte die wirtschaftliche auf dem Fuß. Obwohl der Sklavenhandel offiziell bereits 1873 durch die Briten abgeschafft worden war, brachte der Handel im Verborgenen der omanischen Oberschicht weiterhin hohe Einnahmen. Erst 1897 griff die Kolonialregierung hart gegen den Sklaven-Schwarzmarkt durch. Neue Tiefseehäfen in Mombasa und Dar es Salaam sowie die schwindende Bedeutung des Nelkenexports versetzten der Wirtschaft Sansibars endgültig den Todesstoß.
Nachdem die britische Kolonialherrschaft im Dezember 1963 endete, stürzte man im Januar 1964 den letzten Sultan in einer blutigen Revolte. Mehr als 17 000 wohlhabende Araber und Inder wurden dabei von aufständischen Afrikanern massakriert. Nach kurzer Übergangszeit als „Volksrepublik” vereinigte sich Sansibar am 26. April 1964 mit dem Festlandsstaat Tanganjika zu einem neuen Staat Tansania (Tanganyika + Zanzibar = Tanzania).
Seitdem ist der Verwaltungsbezirk Sansibar, also Unguja und Pemba, ein Teilstaat der Republik Tansania; allerdings wurde dem Archipel ein halbautonomer Status eingeräumt (s. „Tansania heute”, S. 144 , und Kasten „Stolperstein Sansibar”, S. 145 ).
Der erste Präsident Sansibars, Sheikh Abeid Karume , war wie sein Kollege vom Festland, Julius Nyerere, ein Vertreter des Afrikanischen Sozialismus und unterhielt gute Kontakte zu Kuba, Russland, China und der DDR. Mit ihrer Unterstützung ließ er die Infrastruktur der Insel aufpolieren, z. B. mit Plattenbauten, die Zanzibar Town prägen.
Bevölkerung und Religion
Die über 1 Mio. Einwohner des Archipels, ein buntes Bevölkerungsgemisch aus Afrikanern, Indern, Persern und Arabern, sind zu über 95 % Moslems, was im Alltag nicht zu übersehen ist. Der Großteil der Frauen trägt
buibuis –
lange schwarze Umhänge – über der Kleidung; auch die Männer zeigen sich in ihrer traditionellen Tracht – lange, weiße Hemden
(khanzu)
und kunstvoll verzierte Kopfbedeckungen
(kofia).
Fünfmal pro Tag hallt der lautstarke Ruf
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