Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer
den Export. In der Summe hat die Landwirtschaft einen Anteil von etwa 42 % am BIP.
Mit 40 % Anteil am BIP steht der Dienstleistungssektor an zweiter Stelle. Das Schlusslicht Industrie macht hingegen nur knapp 18 % der Wirtschaftsleistung aus. Dabei spielt die Verarbeitung der Agrarprodukte (Hopfen, Tabak, Zucker, Sisal), Zement oder die Salzproduktion insgesamt eine untergeordnete Rolle. Es findet kaum Wertschöpfung im Land statt, zum einen weil die Investoren wegen der großen Wirtschaftshemmnisse fehlen, zum anderen weil die Wirtschaft kaum gegen die asiatische Billigkonkurrenz bestehen kann. Der Bergbau mit der Förderung von Tansanit, Diamanten, Gold, Erdgas, Uran und anderen Bodenschätzen erwirtschaftet erstaunlicherweise ebenfalls kaum Devisen, denn viele der Geschäfte mit Bodenschätzen sind Kompensationsgeschäfte, d. h. die Rohstoffe werden nicht mit Geld vergütet, sondern mit Waren oder Dienstleistungen, und fast alle Bodenschätze Tansanias werden unbearbeitet exportiert. Zusätzlich schmälern auch der Schmuggel und Bestechungsgelder die Einnahmen aus den Minen.
Hoffnungsträger Tourismus
Der Tourismus boomt wie kein anderer Wirtschaftszweig in Tansania. Während in den I970er-Jahren alle nach Kenia pilgerten, blieben im damals sozialistischen Tansania die Grenzen geschlossen. Erst Anfang der 90er-Jahre begann sich der Tourismus zu etablieren. Die Regierung setzte dabei auf gehobenen Öko-Tourismus; die Folgen dieser „Strategie” sind die höchsten Eintrittspreise im südlichen Afrika sowie Übernachtungspreise, die auch nach europäischen Maßstäben exorbitant sind.
Wirtschaftsexperten schätzen, dass der Tourismus heute für ein Drittel aller Deviseneinnahmen verantwortlich ist. Die Besucherzahlen verdeutlichen diese Entwicklung: Während im Jahr 2000 nur knapp 500 000 Touristen ins Land kamen, waren es 2006 bereits 644 000 – Tendenz stark steigend. Nach dem Krisenjahr 2009, wo die Tourismuszahlen einbrachen, werden aber nach Angaben des Tanzania Tourist Board (TTB) 2011 geschätzte 1 Mio. Besucher angepeilt. Die Touristen stammen hauptsächlich aus den USA, Großbritannien, Italien, Südafrika, Deutschland und Frankreich und ließen 2010 an die US$1,5 Mrd. im Land. Angesichts dieser imposanten Zahlen enttäuscht es, dass der Tourismus nur rund 200 000 Tansaniern Beschäftigung und Einkommen bietet. Wie die Studie
Tracing the tourist d
ollar 2009 aufzeigt, fließen nur 18 % der Tourismuseinnahmen direkt an die Bevölkerung – zur echten, gebietsweisen Armutsbekämpfung taugt der Tourismus daher nicht.
Die Zeichen der Zeit sind jedoch unübersehbar: Der Bauboom in Sansibar hat im letzten Jahr an Intensität gewonnen, Fluglinien nehmen Tansania (zumindest Sansibar) in den Flugplan auf, und in den Nationalparks werden laufend neue Lodges eröffnet, neue Tour Operators versuchen ihr Glück. Im Interesse der Natur (jedenfalls den offiziellen Verlautbarungen zufolge) haben auchdie Tanapa sowie das zuständige Ministerium auf die steigenden Besucherzahlen reagiert – mit erhöhten Eintrittsgebühren für einige Parks sowie völlig neuen Gebühren, z. B. für Boot-Safaris oder in Form sogenannter
conservation fees.
Die Regierung beteuert die Wichtigkeit der Einnahmen aus dem Tourismus, doch die Realität spricht eine andere Sprache. Der Disput um den Bau eines Highways in der Serengeti bewegt aktuell die Gemüter; im Selous Game Reserve gerät die Wilderei aus den Fugen und das zuständige Ministerium will kein Geld ausgeben, um die Klassifizierung nach dem internationalen Sternesystem zu finanzieren. Kurzsichtigkeit, Korruption und der fehlende politische Wille lassen also den Hoffnungsträger Tourismus zunehmend hoffnungslos werden.
Entwicklung
Tansania zählt zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt – trotz Schuldenerlassen, Finanzspritzen, milliardenschwerer Entwicklungshilfe und Mega-Investitionen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Geld offensichtlich in die falschen Kanäle fließt.
Seitdem 2002 das Schulgeld abgeschafft wurde, ist das ohnehin marode Schulsystem zusammengebrochen. Die Grundschulen
(shule ya msingi)
platzen aus allen Nähten, die unterbezahlten und schlecht ausgebildeten Lehrer sind heillos überfordert. Während Prügelstrafen an der Tagesordnung sind, reichen die Englischkenntnisse der Schüler nach den sieben Grundschuljahren kaum weiter als bis zu einfachsten Vokabeln. Oftmals bleiben Kinder der Schule fern, weil Uniformen und
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