Tansania Stefan Loose E-Book Reisef¿hrer

Obwohl Oppositionsparteien seit 1993 verfassungsmäßig erlaubt sind, spielen sie im Parlament nur eine Nebenrolle. Die bekannteste Partei ist dabei ohne Zweifel die CUF (Civic United Front), die ihre Anhänger überwiegend auf Sansibar findet. Insgesamt aber fehlen der Opposition klare Programme und Visionen, und afrikanische Traditionen sowie fehlende Demokratieerfahrung lasten auf dem schleppend verlaufenden Demokratisierungsprozess.
    Dies erklärt auch, warum der charismatische Jakaya Mrisho Kikwete (geb. 1950), Mitglied der CCM, 2005 mit überwältigender Mehrheit von über 80 % der Stimmen an die Spitze der Republik Tansania gewählt und 2010 in seinem Amt bestätigt wurde. Er hat noch immer mit den ewigen Geißeln Afrikas zu kämpfen: Infrastruktur, Privatisierung, Korruption. Alle drei Problembereiche drängen auf eine rasche Lösung: Die Strom- und die Wasserversorgung sind größtenteils zusammengebrochen (da eine Privatisierung ohne Ermöglichung von Konkurrenz zahnlos ist), die Gesundheitsversorgung und die öffentlichen Schulen haben sich in den letzten Jahren verschlechtert, und Korruptionsskandale um hochrangige Regierungsmitglieder, darunter sogar Premierminister Edward Lowassa, kratzen am Saubermann-Image von Kikwete. Weitere innenpolitische Streitthemen sind der Drang Sansibars nach Unabhängigkeit, die Auswirkungen der Aids-Pandemie sowie die zunehmende organsierte Kriminalität von außen (hauptsächlich aus Kenia, Somalia und Ruanda). Umweltschutz wird von der Regierung Kikwete sehr ernst genommen – der Bann von Plastiktüten wurde bereits teilweise umgesetzt, andere Vorhaben liegen noch in der Schublade. Leider sprechen seine Taten in Zusammenhang mit der Pflege der Nationalparks nicht dieselbe Sprache: Der geplante Bau eines internationalen Flughafens, der geplante Serengeti-Highway und die massive Erhöhung der Bettenanzahl in der Serengeti lassen seine umweltpolitischen Beteuerungen in schalem Licht erscheinen. Die Unesco überlegt zudem, dem Selous Game Reserve den Status als Weltnaturerbe abzuerkennen, da der Ausverkauf des Reservats kein Ende nehmen will: Erdgasfelder oder Platinminen (im Reservat!) wurden an chinesische Investoren verkauft, und dies soll nur der Anfang sein.
    Vieles spricht für Kikwete – vieles auch gegen ihn, und bis zum Ende seiner Amtszeit 2015 (der tansanische Präsident darf nur einmal wiedergewählt werden) harrt noch eine Vielzahl von Aufgaben ihrer Lösung.
Wirtschaft und Entwicklung
    Wirtschaftswachstum: (real) 7,2 %
    Inflation: 6–8 %
    BIP pro Kopf: US$1400 (Deutschland: US$35 700)
    Agrarsektor: 85 %
    Zugang zu Elektrizität: 20 %
    Mindestlohn: ca. 80 000 TSH pro Monat (ca.36 €)
    Arbeitslosigkeit: 30–40 % (geschätzt)
    Seit der Marktöffnung des Landes ist in einzelnen Wirtschaftssektoren (sehr zur Freude der Investoren) ein Boom zu beobachten, jedoch spürt die breite Masse davon noch wenig. Tatsächlich haben sich die subjektiven Lebensbedingungen eines Großteils der tansanischen Bevölkerung eher verschlechtert als verbessert – was aufgrund der langen Tradition von Entwicklungshilfe, deren Zustrom eher noch steigt, verwundern mag.
Wirtschaftslage
    Obwohl Tansania zu den reichsten Ländern des Kontinents gehört, was seine Ausstattung mit natürlichen Ressourcen anbelangt, zählt es weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt. Der
Human Development Index
2010 der Vereinten Nationen setzt Tansania auf Rang 148 von 162 Ländern – ein verheerendes Ergebnis angesichts milliardenschwerer Entwicklungshilfe, reicher Bodenschätze und des boomenden Tourismus. Armut ist und bleibt besonders in ländlichen Gegenden das zentrale Thema – jeder dritte Tansanier lebt von weniger als US$2 pro Tag. Hand in Hand mit Armut gehen unzureichende Schul- und Ausbildung, fehlendes Wissen um die beiden großen gesundheitlichen Geißeln des Landes, Malaria und Aids, sowie der weiter zunehmende Bevölkerungsdruck bei ständig sinkender Nutzfläche.
    In den letzten Jahren haben zudem Teuerungswellen das Land erfasst, die alle Bereiche des täglichen Lebens betreffen. Alle Preise haben sich verdoppelt und -dreifacht, egal ob für Grundnahrungsmittel wie Reis, Mais oder Mehl, für Benzin/Diesel, Strom, Zement oder Holz. Gerade die Verteuerung alltäglicher Waren wie Holzkohle oder Grundnahrungsmittel wirkt sich dramatisch auf die Lebenssituation der Menschen aus.
    Die Wirtschaft Tansanias ist überwiegend von ausländischer Finanzhilfe abhängig, insbesondere aus der EU,