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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Beerdigungsgebeten hinzugefügt hatte.
    Julian hörte mir aufmerksam zu, sah sich die Stellen an und nickte schließlich. »Sie glauben also, dass Kit diese verlassenen Stützpunkte aufgesucht hat, um für die Seelen der toten Flieger zu beten …«
    »Genau«, sagte ich aufgeregt. »Er stand nicht einfach nur im Regen und hielt nach Geistern Ausschau. Er hat gebetet.« Als Julian darauf nichts erwiderte, fuhr ich fort: »Verstehen Sie nicht? Er hat nicht aus irgendeinem verrückten Impuls heraus gehandelt, er fuhr mit einem ganz bestimmten Ziel zu den verlassenen Stützpunkten.«
    »Er mag ein Ziel gehabt haben.« Julian beugte sich vor und fügte behutsam hinzu: »Aber dennoch – wer bei Verstand steht acht Stunden im Regen und betet?«
    Julians Worte trafen mich wie ein Faustschlag.

    Ich hatte meine Erkenntnis mit dem Priester teilen wollen, in der Zuversicht, dass er Kits Handlungen so wie ich deuten würde, als Beweis von Kits Güte. Stattdessen hatte er mein Argument herumgedreht, damit es in seinen eigenen Plan passte. Wenn es nach ihm ginge, würde Kit den Rest seiner Tage damit verbringen, die Ställe von Blackthorne Farm auszufegen. Beschützerinstinkt ergriff von mir Besitz, und ich sprang auf.
    »Sie wollten doch wissen, was Arroganz ist«, herrschte ich Julian an. »Arroganz ist zum Beispiel der Glaube, dass man alle Antworten kennt, wenn man in Wirklichkeit keinen blassen Schimmer hat.«
    Julian fuhr zurück, aber ich war noch nicht fertig.
    »Ich glaube, Sie wünschen sich, dass Kit geistesgestört ist. Ich glaube, Sie sind eifersüchtig auf ihn, weil er ein besserer Mensch ist als Sie. Sie sollten sich schämen, Julian Bright.«
    Mit diesen Worten schnappte ich mir meinen Mantel und stürmte aus dem Gebäude, setzte mich ans Steuer meines Minis und fuhr, ohne lange darüber nachzudenken, geradewegs zum Radcliffe.

10
    ICH DURCHQUERTE GERADE die Eingangshalle, als ich eine vertraute Stimme vernahm.
    »Lori! Wie geht’s deinen Söhnen? Und was macht dein rastloser Ehemann?«
    Luke Boswell kam auf mich zu. Er schob einen Einkaufswagen mit Büchern vor sich her. Luke war ein Amerikaner mittleren Alters aus North Carolina, der vor vielen Jahren als Rhodes-Stipendiat nach Oxford gekommen und seitdem geblieben war. Er war Besitzer der antiquarischen Buchhandlung Preacher’s unweit der Saint Giles Road. Ich hatte so manche Stunde in seinem Laden verbracht, hatte Brombeertee getrunken und mit ihm über seine Neuerwerbungen gefachsimpelt.
    Als Luke näher kam, verfinsterte sich seine heitere Miene. »Die Jungs sind doch nicht etwa krank?«
    »Nein, nein, Bill, es geht ihnen gut – und Bill auch«, antwortete ich. »Allen geht es gut.«
    »Offenbar nicht allen«, meinte Luke und stützte sich auf dem Wagen ab. »Das frohe Fest naht, und du siehst aus, als könntest du Reißnä gel spucken.«

    »Das ist eine lange Geschichte, Luke.« Ich bemerkte den roten Button auf seiner Strickjacke. »Ich wusste nicht, dass du hier gemeinnützige Arbeit verrichtest.«
    »Mache ich auch erst seit einem Monat«, teilte Luke mir mit. »Ein Kunde hat mich dazu überredet, und ich bin froh, dass er es getan hat.
    Ich fühle mich ein bisschen wie der Weihnachtsmann persönlich.« Er legte die Hand auf den Wagen. »Es gibt kaum etwas, das einen Kranken so ablenken kann wie ein gutes Buch.«
    »Ich hoffe, du hast dich bei deinem Kunden bedankt«, sagte ich und rang mir ein Lächeln ab.
    »Ach, eigentlich ist er gar kein Kunde«, erwiderte Luke. »Ein Kunde kauft etwas, aber dieser Bursche besitzt keinen Penny. Er ist eher ein Gelehrter der Straße, wenn du weißt, was ich meine. Aber ein netter Kerl. Von Grund auf gut, würde ich sagen. Eigentlich seltsam, denn er liest nur Bücher über den Krieg.«
    Meine Nackenhaare richteten sich auf. »Wie sieht er aus?«
    »Ein langes Elend, würde ich sagen«, antwortete Luke. »Wirres Haar, langer, wirrer Bart, ziemlich schäbig gekleidet. Hab ihn seit einigen Tagen nicht mehr gesehen, aber er kommt sicher bald wieder.«

    Die Empfangshalle schien sich um mich zu drehen. »Kennst du seinen Namen?«
    »Kit«, antwortete Luke. »Kit Smith. Er sagt, die meisten nennen ihn Smitty. Warum fragst du?«
    Ich zeigte auf den Einkaufswagen. »Bist du hier fertig, Luke? Gehst du zurück in den Laden?«
    »Muss nur noch meinen Mantel holen. Wieso?«
    »Ich komme mit«, sagte ich. »Warum, erkläre ich dir unterwegs.«

    Auf dem Weg zu Preacher’s mussten wir uns auf der Saint Giles Road durch

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