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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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hab’s für Smitty getan, Misses«, sagte er.
    »Ich will keine Belohnung.«
    »Trinken Sie wenigstens eine Tasse Tee«, bot Luke ihm an.
    »Schönen Dank, aber ich muss zurück zum Heim. Vater Bright muss da ganz allein mit der Bande fertig werden. Cheerio, Misses.« Der kleine Mann zog sich die Wollmütze über die Ohren und schlurfte aus dem Laden. »Sieht aus, als würdest du eine Menge neuer Freunde gewinnen«, meinte Luke. »Schauen wir uns mal an, was der gute Rupert da gebracht hat.«
    Die Rolle bestand aus etwa 200 Seiten Durchschlagpapier. Jede einzelne der dünnen Seiten war mit Hunderten von Namen bedeckt, in der gleichen winzigen Handschrift, die Willis senior in dem Gebetbuch entdeckt hatte. Vor jedem Namen stand der militärische Rang.

    »Oberleutnant A. R. Layton«, las Luke mit zusammengekniffenen Augen vor. »Erster Flieger L. J. Turek. Sieht so aus, als seien es alles Jungs von der Luftwaffe. Wohl ein Anwesenheitsappell der Toten.«
    »Der Toten?« Ich blätterte das Bündel durch.
    »Hier stehen sicherlich Zehntausende von Namen. Das ist eine furchtbar hohe Verlustrate.«
    »Die Fliegerstaffel hat etwa 60000 Männer verloren«, informierte mich Luke. »Es hat sie hart getroffen.«
    Luke wickelte die Rolle in eine seiner braunen Tüten ein. Ich war so verwirrt wie Rupert. Warum hatte Kit den Versuch unternommen, die Namensliste zu verbrennen, die er so mühevoll zusammengestellt hatte? Warum hatte er sie überhaupt geschrieben? Er wollte für die Toten beten, aber wirklich für jeden Einzelnen?
    »Du scheinst dich ja sehr für den guten Kit zu interessieren«, meinte Luke, als er mir das Schriftstück reichte.
    »Wahrscheinlich fühle ich mich verantwortlich für ihn«, murmelte ich. »Schließlich ist er in meiner Auffahrt zusammengebrochen.«
    Luke sah mich unter seinen buschigen Augenbrauen an. »Die Somervilles machen ihm kein schlechtes Angebot, Lori. Ich sage nicht, dass Kit gemeingefährlich ist, aber nach dem, was du mir erzählt hast, verhält er sich doch sehr sonderbar.«
    Luke muss den bedrohlichen Glanz in meinen Augen gesehen haben, denn er wechselte umgehend das Thema. »Übrigens, ich freu mich auf eure Weihnachtsparty, hab’ schon meine roten Hosenträger rausgelegt.«
    Ich lächelte kurz, bedankte mich bei ihm und verließ den Laden.
    Als ich die Preacher’s Lane hinaufging, riefen mir die Säufer von der anderen Straßenseite wieder etwas zu. Ich schlug den Mantelkragen hoch und wollte weiterlaufen, aber irgendetwas veranlasste mich, zu ihnen hinüberzuschauen.
    Die beiden Männer hatten Haltung angenommen und salutierten zittrig, die Hände an ihre Wollmützen gelegt. Ruperts Kumpel, dachte ich und fragte mich, ob es sich bei ihnen um ehemalige Soldaten handelte. Ich registrierte ihre Geste mit einem verlegenen Nicken und machte mich eiligst wieder auf den Weg ins Radcliffe.

    Ich stand vor Kits Krankenzimmer und drückte meine Handflächen gegen das Glas. Ich sah, wie sich seine Brust in dem unnatürlichen Rhythmus hob und senkte, den das Beatmungsgerät vorgab.

    An sein Bett durfte ich nicht – seit seinem Rückfall durfte er keinen Besuch mehr bekommen –, deshalb sprach ich stumm mit ihm und sandte meine Gedanken durch die Mauer aus Glas. Ich versprach ihm, dass ich alles tun würde, um zu verhindern, dass seine wohlmeinenden Freunde ihn einsperrten.
    »Mrs Shepherd?«
    Schwester Willoughbys Stimme ließ mich zusammenzucken. »Sorry, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte die junge rothaarige Frau. »Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir einen Gefallen tun könnten.«
    »Natürlich«, erwiderte ich.
    »Vorhin ist eine Frau hier gewesen, eine Freundin von Mr Smith …«
    »Anne Somerville?«, warf ich ein.
    »Genau. Sie hat Mr Smith etwas mitgebracht, von dem sie annahm, dass es ihm Glück bringen würde, aber … nun, ich finde es ziemlich eklig.
    Könnten Sie das nicht fortschaffen?«
    Schwester Willoughby hielt etwas hoch, und ich machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Was ist das?«, fragte ich. »Etwas Lebendiges?«
    »Es ist ein Spielzeug«, korrigierte sie mich. Sie zeigte mir das Stofftier. »Ein Pferd, glaube ich.«

    Ich nahm das zerschlissene Ding in die Hand.
    Das kleine braune Pferd mit der schwarzen Mähne und dem schwarzen Schweif war in all den Jahren zu oft geherzt worden. Der Saum auf seinem Bauch war mit rotem Faden erneuert worden, sein Fell war an drei Stellen geflickt und das schwarze Garn der Mähne hoffnungslos verfilzt. Wie es da so in

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