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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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mein Büro. Dort ist die Temperatur etwas weniger tropisch als hier.«
    Julians Büro erwies sich als längliche Schachtel, die schlecht beleuchtet und mit allem möglichen Zeug voll gestellt war und von der aus man einen Blick auf den leeren Parkplatz hatte.
    Aktenschränke nahmen die eine Wand ein, ein grauer Schreibtisch aus Stahl die andere. Darauf stand ein schon älterer Computer, eingerahmt von Aktenordnern. An der Wand dahinter hingen Bus-und Zugfahrpläne, Plakate und Landkarten. Das Fensterbrett bot Platz für einen Topf mit einem Kiefernsprössling, gekrönt mit einem Stern aus Alufolie.
    Julian ging in den Speisesaal, um mir einen Stuhl zu holen. Als er zurückkehrte, trug er statt des TShirts einen schwarzen Rollkragenpullover.

    »Ist es hier warm genug für Sie?«, fragte er, als er meinen Mantel an einen Haken an der Tür hängte.
    »Aber ja.« Ich trug Wollhosen mit seidenem Innenfutter und einen weichen, himbeerfarbenen Pullover aus Lammwolle.
    »Die Farbe steht Ihnen«, sagte Julian mit einem Blick auf den Pullover. »Sehr munter. Genau das, was Sankt Benedikt braucht.«
    Es braucht noch eine Menge mehr, dachte ich, mit einem Blick auf die Wasserflecken an der Decke.
    Julian schien meine Gedanken erraten zu haben. »An meiner Arbeit ist nichts Glamouröses, Lori, es gibt keine Kinder mit großen Augen oder niedliche Welpen, mit denen man wohlhabende Sponsoren locken könnte. Unsere Glamour Boys sind zahnlose alte Männer, die zu viel trinken und zu selten baden. Sankt Benedikt ist der Schutzpatron der Bettler, und Bettler sind in der Regel vom rauen Schlag.«
    »Ich bin sicher, dass Sie mit ihnen umgehen können«, sagte ich. »Und ein Heilmittel für das finden, woran Sankt Benedikt krankt.«
    »Ist meine Arroganz so offensichtlich?«, fragte Julian beiläufig.
    »Ihr Mitgefühl ist offensichtlich«, erwiderte ich.

    Julian stieß ein lautes Lachen aus, das freudlos und harsch klang. »Dabei werden weder Arroganz noch Mitgefühl verhindern können, dass wir unsere Pforten bald schließen müssen. Es ist schon ein Wunder, dass sie uns nicht längst dichtgemacht haben.«
    »Wer sind ›sie‹?«, fragte ich.
    »Die gleichen Bürokraten, die vor fünf Jahren die staatlichen Fördermittel gestrichen haben.«
    Julian zeigte auf die Ordner. »Ich habe alles versucht, um private Sponsoren zu finden, aber es ist ein mühseliger Job, Niemand will mit Männern wie Rupert für ein Foto posieren.«
    »Warum springt die Kirche nicht ein?«
    »Die Kirche räumt Sankt Benedikt keine Priorität ein«, antwortete Julian. »Sie finanziert bereits zwei Suppenküchen und ein anderes Obdachlosenheim.«
    »Dann können die Männer zumindest woanders unterkommen«, meinte ich.
    »Die anderen Heime sind bereits völlig überbelegt und haben zu wenig Personal. Die meisten meiner Männer werden in Hauseingängen schlafen – bis die Polizei sie vertreibt. Dann legen sie sich unter Brücken, in dunkle Gassen … überall da, wo man herumstreunende Katzen findet, findet man auch meine Herde.«

    »Aber es ist Winter«, sagte ich. »Viele werden erfrieren.«
    »Das geschieht jeden Tag.« Julian presste kurz die Lippen aufeinander, dann sah er mich entschuldigend an. »Verzeihen Sie, Lori, ich hätte nicht so offen sprechen dürfen. Ich vergesse immer wieder, dass Sie aus einer ganz anderen Welt kommen. Abgesehen davon …«
    Julians Stimme wurde leiser, während in meinen Ohren das ferne Heulen des Windes lauter wurde, bis es alle anderen Geräusche übertönte.
    Ich zog zitternd die Schultern hoch und legte die Hand auf die Stirn.
    »Lori?«, sagte Julian.
    »Was?«, brachte ich hervor, als das Dröhnen langsam nachließ.
    »Sie waren gerade ganz woanders.« Julian sah mich prüfend an. »Was war denn?«
    »Ach nichts … nur ein Tagtraum.« Ich riss mich zusammen und holte die Dose aus meiner Tasche. »Hier. Ich habe ein paar Kekse mitgebracht.«
    Julians Blick sagte mir, dass auch er erkannte, wenn jemand auswich, aber er nahm die Angel Cookies mit sichtlicher Freude entgegen. »Sehr freundlich«, sagte er. »Ich kann mich nicht erinnern, wann man uns das letzte Mal so verwöhnt hat. Sind Sie deswegen extra hierher gekommen?«
    »Ja … nein.« Ich holte tief Luft. »Ich komme wegen Kit. Ich glaube, ich habe herausgefunden, warum er zu den Rollfeldern in Cambridgeshire gefahren ist.« Ich zog das Gebetbuch aus meiner Tasche und erzählte Julian von den Seiten, die Kit markiert hatte, und von dem Psalm, den er den

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