Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
daran, dass Emma nach einem eventuellen Erbschaftsstreit Ausschau halten sollte, und Emma versprach, sich der älteren Geschichte zu widmen, sobald sie ihre Paprika geerntet hatte.
    »Na?«, sagte Nell, nachdem ich das Gespräch beendet hatte.
    Ich sah sie einen Moment geistesabwesend an, dann holte ich tief Luft. »Nell«, sagte ich, »erinnerst du dich, dass ich gestern sagte, dieser Zweig der Familie klingt interessant …?«

    Anne Elizabeth Court war ein kleiner Platz, eigentlich nur ein taschentuchgroßes Rasenstück, das von eleganten Häusern aus rotem Backstein im georgianischen Stil umstanden war. Die Straße, die um das Rasenstück herumführte, war so schmal, dass ich Angst hatte, die Limousine würde nicht hindurchpassen, aber Paul war es gewohnt, sich durch die mittelalterlichen Gässchen seiner Heimatstadt zu schlängeln, und fuhr mit Aplomb bis vor die Haustür von Nummer drei.
    Die Familie Willis bewohnte eines von fünf identischen vierstöckigen Häusern an der Westseite des Platzes. Alle waren durch leuchtend weiße Zäune vom Trottoir abgegrenzt, hatten dieselben halbrunden Fenster über den makellosen Haustüren, neben denen die Namen der Bewohner auf Messingschildern standen. Während jedoch die Schilder an den anderen Häusern die Namen von zwei oder mehr Bewohnern trugen, stand auf dem Schild von Nummer drei nur ein einziger Name: Willis & Willis.
    »Déjà vu«, murmelte ich, als ich mich daran erinnerte, wie ich das erste Mal diesen Namen auf einem Messingschild gelesen hatte. Damals war ich vom Bostoner Winterwind halb erfroren gewesen, aber jetzt schwitzte ich unter der strahlenden Londoner Sonne und bereute, dass ich das dunkle Tweedkostüm angezogen hatte.
    Ich winkte Paul, der es vorzog, draußen zu bleiben und die Limousine vor den Angriffen gestrenger Verkehrspolizisten zu verteidigen, und drehte den Griff für die Klingel, der in der Mitte der wei ßen Tür angebracht war. Ich hatte erst eine halbe Umdrehung zustande gebracht, als die Tür aufgerissen wurde. Auf der Schwelle stand ein großer, kräftig aussehender junger Mann in einem dunklen dreiteiligen Anzug.
    Diese adrette Kleidung stand in scharfem Kontrast zu seinem braunen Bart, der lang und ungepflegt war, ebenso wie zu seinem dicken braunen Haar, das nach allen Seiten von seinem Kopf abstand. Für dieses unordentliche Aussehen gab es bald eine Erklärung, als er uns erblickte und sich, als sei es eine gewohnte Geste, mit der molligen Hand in die Haare griff.
    »Du lieber Gott«, rief er aus, wobei ihm jetzt das Haar wirklich zu Berge stand. »Ist es schon Mittag? Verzeihen Sie, meine Damen. Ich habe wohl wieder mal die Zeit vergessen. Bitte, treten Sie doch ein.«
    Ehe ich ihn beruhigen konnte, dass es erst gegen elf war, hatte Nells Hand, die ich in meinem Rü
    cken spürte, mich bereits über die Schwelle und in eine kleine, aber geschmackvoll eingerichtete Eingangshalle geschoben. Vor uns war eine elfenbeinfarbene Tür, die von schlanken, neoklassizistischen Pfeilern flankiert war; zu unserer Linken führte eine schmale Treppe mit einem zierlichen schmiedeeisernen Geländer nach oben. Der Gesamteindruck war elegant und zeugte von einer alten, selbstverständlichen Wohlhabenheit – in scharfem Gegensatz zu den ›Lärchen‹.
    Der korpulente Mann schien mein stolperndes Eintreten nicht zu bemerken. Er schien überhaupt nicht viel zu bemerken, außer seiner goldenen Armbanduhr, die er wiederholt schüttelte, beklopfte und ans Ohr hielt, während er uns die Treppe hinauf in ein Büro im ersten Stock führte, dessen Fenster den Platz überblickten. Der Raum war hoch und wohl proportioniert, mit einer Stuckdecke und weißen Bücherregalen, die die gesamte Höhe der Wand einnahmen.
    Die Harmonie des Raumes war jedoch gestört durch unzählige Bücher, die sich in der gleichen schrecklichen Unordnung befanden wie die Haare des Mannes. Sie lagen überall aufgeschichtet umher, manche lagen offen mit dem Rücken nach oben, und fast alle waren gespickt mit Papierstreifen und Zetteln. Der Tür gegenüber stand ein Schreibtisch, groß wie eine Landebahn, aber die hübschen Einlegearbeiten der Platte waren fast völlig von Papier, Aktenordnern und noch mehr Bü chern zugemüllt.
    Nell und ich nahmen in zierlichen Sesseln mit ovalen Rückenlehnen Platz, während der Mann sich auf die andere Seite seines Schreibtisches begab. Sein Sessel war ein robustes, breites Sitzmöbel, in dem man sich bequem zurücklehnen konnte; geschaffen für

Weitere Kostenlose Bücher