Tante Dimity und der unerhoerte Skandal
Telefon im Auto?«
»Noch nicht«, sagte ich und nahm mir im Stillen vor, eins installieren zu lassen, sowie ich Willis senior eingeholt hatte. »Nun, wenn das so ist, denke ich, haben wir noch etwas Zeit, Lucy.«
»Wunderbar.« Lucy deutete auf den Kamin.
»Machen Sie es sich bequem, ich lasse gleich Tee bringen.«
Nell nahm ihre weiße Umhängetasche und ging zu einem der Sessel vor dem Kamin, während ich auf der Couch Platz nahm und mich fragte, was in aller Welt Gerald getan haben konnte, um Lucys Missfallen zu erwecken. Man merkte, dass sie seine Fehler weder vergessen noch verziehen hatte, und obwohl sie sich anstandshalber nach ihm erkundigt hatte, war es unwahrscheinlich, dass sie wegen seines Befindens schlaflose Nächte hatte.
»Lucy«, sagte ich, als sie sich Nell gegenüber in den Sessel gesetzt hatte, »mir wäre es lieber, ich könnte sagen, dies sei nur ein netter verwandtschaftlicher Besuch, aber eigentlich möchte ich Sie um einen Gefallen bitten.«
Lucy schlug die Beine übereinander und sah mich ruhig an. »Und was für ein Gefallen wäre das?«
»Es geht um diese Pläne, die mein Schwiegervater hat, hier in England eine Zweigstelle zu eröffnen«, sagte ich.
Lucy zog die Augenbrauen hoch. »Vetter William hat mir gegenüber nichts davon gesagt, dass er nach England kommen will.«
»Bestimmt nicht?«, sagte ich, und als Lucy entschieden den Kopf schüttelte, verließ mich meine Zuversicht. Ich hätte mir denken können, dass Willis senior Lucy bitten würde, seinen Vorschlag vertraulich zu behandeln, genau wie Gerald. »Okay«, sagte ich, »aber sollte er jemals davon anfangen, dann würde ich mich freuen, wenn Sie es ablehnen würden.«
»Warum?«, fragte Lucy verständnislos.
»Weil … er zu Hause gebraucht wird«, sagte ich. »Würden Sie ihm das sagen, wenn er jemals anfangen sollte, von einem Umzug nach England zu sprechen? Würden Sie ihn daran erinnern, dass er zu Hause gebraucht wird?«
»Das werde ich tun«, versprach Lucy. Sie schien verblüfft, aber voller Mitgefühl, als sie weitersprach. »Aber ich versichere Ihnen, dass wir nur über die Familiengeschichte gesprochen haben. Ist Ihnen die Sache mit dieser uralten Fehde bekannt?«
»Ich wusste, dass es da etwas gibt«, sagte ich,
»aber ich habe keine Ahnung, was dahintersteckt.«
»Es gibt verschiedene Theorien darüber, was damals vorgefallen ist«, sagte Lucy. »William möchte herausfinden, welche die richtige ist.«
»Ist das wirklich wichtig?«, fragte ich. »Was könnte das nach so langer Zeit noch ändern?«
Lucy hob die Hand und machte eine ausholende Bewegung. »Alles, was Sie hier sehen«, erwiderte sie. »Wenn Williams Theorie richtig wäre, dann müsste man damit rechnen, dass dieses Haus Ihrem Zweig der Familie gehört.«
Ich ließ meine Augen über die vergoldeten Deckenornamente schweifen, über den exquisiten Teppich und den wunderbaren Kamin und hörte in der Ferne das leise Gewinsel nicht mehr ganz so fest schlafender Hunde. Dies war ein Preis, um den zu kämpfen es sich lohnte. »Sie scheinen sich aber keine allzu großen Sorgen zu machen.«
»Stimmt«, sagte Lucy. »Denn ich bin überzeugt, dass unsere Version der Geschichte die richtige ist.
Soll ich Ihnen erklären, warum?«
»Ich bin ganz Ohr«, sagte ich.
Lucy deutete auf das Porträt über dem Kamin.
»Darf ich vorstellen: Julia Louise Willis. Sie ist das Glied, das unsere beiden Familien verbindet.«
Ich blickte zu dem eindrucksvollen Porträt hinauf. Mein Blick war schon bei unserem Eintritt in das Büro von dem herrlichen blausilbernen Kleid gefesselt gewesen, aber jetzt sah ich mir auch ihr Gesicht aufmerksam an, in dem ich eine Ähnlichkeit mit Lucy erkannte. Beide Frauen hatten volle Lippen, eine hohe Stirn, braune Augen und dunkelbraunes Haar, obwohl Julia Louises zu erstaunlicher Höhe aufgetürmt und von einem Spitzentüchlein gekrönt war, während Lucy einen modernen Kurzhaarschnitt trug. Arthur hatte seine massige Statur wahrscheinlich von seiner pummeligen Ahnfrau geerbt und, wie mir plötzlich dämmerte, mein braunäugiger, dunkelhaariger Mann ebenfalls. Weitaus beunruhigender jedoch war der Gedanke, dass, wenn Arthur jemals sein Haar zähmen und seinen Bart ordentlich beschneiden würde, man ihn für Bills jüngeren, korpulenteren Bruder halten könnte. Anne Elizabeth Court Nummer drei fing an, sich in ein Spiegelkabinett der amerikanischen Familie Willis zu verwandeln.
»Gerald erwähnte Julia Louise«, sagte ich,
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