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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Ankleidesessel mit niedrigen Füßen, beide mit blauem Leinen überzogen, rahmten den zierlichen Teetisch vor dem Kamin ein. Auf dem ebenfalls mit einem freundlichen Stoff bedeckten Frisiertisch lagen eine Haarbürste und ein Handspiegel, beides versilbert, und der mit Intarsien geschmückte Schreibtisch war mit einem silbernen Füllfederhalter und einem Bleistift bestückt sowie elfenbeinfarbenem Briefpapier, in das als Emblem die außergewöhnliche Dächersilhouette von Ladythorne eingeprägt war. Den Kaminsims aus weißem Marmor
    schmückte eine Kollektion von Staffordshire-Figuren, und das Feuer, das im Kamin brannte, warf einen rosigen Schein auf das Zimmer und füllte es mit einer willkommen heißenden Wärme.
    Was mich an dem Raum jedoch am meisten beeindruckte, war die vollkommene Ruhe, die er ausstrahlte. Während ich die Petroleumlampe auf den Nachttisch stellte, die Flinte unter das Bett schob und den Rucksack auf den Ankleidesessel gleiten ließ, kam ich nicht umhin, die vollkommene Abwesenheit von Geräuschen zu bemerken. Das Summen des Kühlschranks, das gelegentliche Rumpeln des Herds, das Rauschen von Wasser in den Leitungen – all die vertrauten Alltagsgeräusche, an die ich mich als die festen Bestandteile meines täglichen Lebens so gewöhnt hatte, fehlten mit einem Mal. Es war, als wäre ich in eine frühere Zeit versetzt worden, wo Ruhe etwas vollkommen Normales war und nicht die Ausnahme. Wenn nicht das Heulen des Windes und das Prasseln des Feuers im Kamin gewesen wären, hätte ich befürchten müssen, plötzlich taub geworden zu sein.
    Die Fenster gingen auf den Hof hinaus mit den baufälligen Nebengebäuden auf der gegenüberliegenden Seite. Ich schlug die schweren Vorhänge zur Seite und erblickte riesige Schneewehen, die sich in der Dunkelheit türmten. Ich schauderte und ließ die Vorhänge rasch wieder zufallen.

    Zufrieden bemerkte ich, dass Catchpole so aufmerksam gewesen war, die Kohlenschütte zu füllen und eine volle Schachtel Streichhölzer zu hinterlassen, sodass ich keine Sorge haben musste, irgendwann in der Nacht ohne Licht oder Wärme zu sein.
    Als ich den Schrank öffnete, fand ich einen Vorrat von Kleidern, der groß genug war, um mindestens eine ganze Woche in der Abtei zu verbringen. Im Stillen dankte ich meiner nichts ahnenden Gastgeberin für ihre weise Voraussicht und hoffte ebenso inständig, dass ich nicht vollen Gebrauch von dem Vorrat machen müsste. Ich hängte meine Jacke auf, zog meine Wanderstiefel aus, ließ aber das lange weiße Leinennachthemd vorerst im Schrank hängen. Noch war ich nicht so weit, um zu Bett zu gehen.
    Reginald schien sich über die Befreiung aus seiner Gefangenschaft zu freuen. Seine schwarzen Knopfaugen glitzerten mich dankbar an, als ich ihn aus dem Rucksack hob und ihn auf den Teetisch setzte.
    »Ganz schön ruhig hier, nicht wahr, Reg?« Ich nahm das blaue Notizbuch aus dem Rucksack, machte es mir in dem wuchtigen Armlehnsessel bequem und streckte die Füße zum Kaminfeuer aus. »Emma dachte, dass mir ein wenig Einsamkeit guttäte, aber im Moment würde ich ein Vermögen dafür geben, um den Jungs eine Gutenachtgeschichte vorzulesen.« Sehnsüchtig starrte ich eine Weile in die Flammen, um dann das Notizbuch aufzuschlagen. »Dimity? Du wirst niemals erraten, wo wir die Nacht verbringen.«
    Oh , Lori , du hast dich doch nicht wieder verirrt , oder?
    Als die vertrauten blauen Bögen und Schnörkel auf der leeren Seite erschienen, musste ich lächeln. Im Stillen dankte ich Bill, mich dazu ermuntert zu haben, das Buch mitzunehmen und so Tante Dimitys Gesellschaft auf meiner Tageswanderung zu genießen.
    Emma hat dir bestimmt eine Karte gegeben , nicht wahr? Ich bin sicher , dass sie dich auch daran erinnert hat , nicht von der Route abzuweichen .
    »Wie wahr«, gab ich zu, »aber von dem
    Schneesturm hat sie mir nichts gesagt.«
    Hat es einen Schneesturm gegeben?
    »Ja, er wütet noch immer, und es ist der schlimmste Schneesturm in den letzten hundert Jahren«, sagte ich mit einer überschwänglichen Geste. »Wenn es einen Wettbewerb für
    Schneestürme gäbe, würde dieser hier den ersten Preis holen. Er hat das ganze Land lahmgelegt, also kann man mir schwerlich einen Vorwurf machen, dass ich vom Weg abgekommen bin.
    Wir sitzen im Schnee fest, Dimity. Und zwar in Ladythorne Abbey.«
    Ladythorne Abbey? Du verblüffst mich . Steht die Abtei denn noch? Ich dachte , dass sie schon vor vielen Jahren verfallen sei .
    »Nein. Sie steht und ist

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