Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Catchpole.
»Kaum dreht man diesen Weibern den Rücken zu, und schon stehlen sie dir den Teppich unter den Füßen weg.«
Meine rosarote Vision von vertraulichen Plaudereien um den Putzeimer herum zerplatzte wie eine Seifenblase.
»Ihr Zimmer ist im ersten Stock, Madam.«
Catchpole stieg vor mir die breite Eichentreppe hinauf.
»Tessa hat einen Orden verdient«, verkündete ich, während ich ihm folgte. »Oder sie sollte in den Ritterstand erhoben werden oder … zur Freifrau. Jeder, der ein historisches Gebäude vor dem Zerfall rettet, sollte auf irgendeine Weise geehrt werden. Immerhin bewahrt sie einen nationalen Schatz.«
»Sie hat Ladythorne Ehre erwiesen«, stimmte Catchpole mir zu. »In manchen Zimmern ist die Einrichtung noch etwas derb, aber das war auch nicht anders zu erwarten. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden, wie meine Mutter zu sagen pflegte.«
Ich führte die Hand zum Mund, um mein
Gähnen zu verbergen. »Tut mir leid, Catchpole.
Ich weiß, es ist erst sechs Uhr, aber ich bin fix und fertig.«
»Den anderen geht es genauso. Ich nehme an, sie schlafen schon tief und fest.«
Ich hoffte, dass meine Mitverbannten tatsächlich gut schliefen, denn ich wollte nicht, dass jemand das Geplauder belauschte, das ich gleich führen wollte, sobald ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir geschlossen hatte. Während Bill seinerseits Erkundigungen einzog, wollte ich meine eigene, etwas weniger orthodoxe Quelle anzapfen, um mehr über die DeClerkes herauszufinden. Doch während ein Telefongespräch keinerlei Erklärung bedurfte, würde ich von meinen Leidensgenossen wohl als reif für die Klapsmühle betrachtet werden, sollte ich in Verlegenheit kommen, meine Unterhaltung mit Tante Dimity erklären zu müssen.
Als wir den oberen Treppenabsatz erreichten, bog Catchpole nach links ab und ging einen Flur entlang, dessen Wände mit gotischer Eichenvertäfelung verziert waren. An den Wänden hingen keine Gemälde, sie waren auch nicht gesäumt von Tischen mit dekorativen Gegenständen, und der Läufer, der den Boden bedeckte, war zwar angenehm dick, aber in einfachem, solidem Kastanienbraun gehalten. Der strenge, schnörkellose Stil erweckte eine ernste, beinahe bedrückende Atmosphäre, doch dieser Effekt schien beabsichtigt zu sein – der Besucher sollte sich an den ursprünglichen Zweck der Abtei erinnert fühlen.
Ich war froh, dass die Mönche, die Ladythorne längst verlassen hatten, mich nicht sehen konnten, wie ich in Wanderstiefeln durch ihre heiligen Hallen stapfte, eine Schrotflinte unter den Arm geklemmt.
Nach etwa vierzig Schritten blieb Catchpole vor einer Tür zu unserer Linken stehen.
»Hier sind wir«, sagte er. »Miss Walkers Zimmer ist eine Tür weiter. Mr Macrae schläft in dem Zimmer gegenüber. Bad und Toilette liegen neben Miss Walkers Zimmer. Im Schrank finden Sie frische Kleidung, alles funkelnagelneu.
Sie werden sicherlich etwas Passendes für sich entdecken. Bitte bedienen Sie sich. Miss Gibbs hat die Kleidung eigens für ihre Gäste gekauft.«
»Und wo werden Sie heute Nacht schlafen?«, fragte ich.
»Ich gehe in mein Cottage zurück. Ich habe Wellensittiche, die ich versorgen muss, wissen Sie.« Er öffnete die Tür für mich. »Gute Nacht, Madam.«
»Gute Nacht, Catchpole. Und vielen Dank für alles.«
Ich schritt über die Türschwelle, drehte mich noch einmal um und streckte den Kopf hinaus, um Catchpole hinterherzusehen, wie er mit seiner flackernden Lampe die Treppe hinabstieg.
Noch immer fragte ich mich, ob er um seiner gefiederten Freunde willen tatsächlich durch die Schneewehen zurück zu seinem Cottage stapfte, oder ob er diese Geschichte nicht erfunden hatte, um bis zum Morgengrauen durch die Flure zu patrouillieren und sicherzustellen, dass wir brav auf unseren Zimmern blieben. Mönche hin oder her, plötzlich war ich froh, die Flinte mit heraufgenommen zu haben. Die Stimmungsschwankungen des alten Mannes waren für meinen Seelenfrieden doch ein wenig zu unvorhersehbar.
Als Catchpole am Fuß der Haupttreppe angekommen war, trat ich in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir und drehte mich um. Fast hatte ich damit gerechnet, eine Art Mönchszelle vorzufinden, aber der Kontrast zu dem düsteren Flur hätte nicht größer sein können. Alles an dem Zimmer war leicht und luftig, von der hübschen Tapete mit Blumenmuster bis zu der Leinentagesdecke, die über das cremefarbene Bett geworfen war. Ein gemütlicher Armlehnsessel und ein dazu passender
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