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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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nickte.
    »Also hast du beschlossen auszukundschaften, wohin sie führt?« Jamie grinste und klopfte mir kameradschaftlich auf die Schulter. »Ich kann dich nicht dafür tadeln. Wie oft hat man schon Gelegenheit, sich frei in einem Anwesen wie Ladythorne zu bewegen? Der Flur hier oben ist voller Überraschungen, nicht wahr? Ich glaube, dahinten ist ein Tanzstudio, und ich hätte nichts dagegen, die Sauna zu …«
    Während Jamie immer weiterredete, ließ ich beschämt den Kopf hängen. Angesichts seines harmlosen Geplauders und der Tatsache, dass er mir keine böse Absicht unterstellte, kam ich mir ziemlich klein vor. Hätte ich Wendy Walker dabei erwischt, wie sie im Speicher herumschlich, wäre meine erste Reaktion bestimmt nicht gewesen, sie für ihren Entdeckungsgeist zu beglückwünschen.
    »Um die Wahrheit zu sagen, Jamie«, sagte ich, von meinem schlechten Gewissen angestupst,
    »bin ich nicht hier heraufgekommen, um mich einfach nur ein wenig umzusehen.«
    »Nein?« Er wartete geduldig, bis ich weitersprach.
    »Können wir in die Bibliothek gehen?«, sagte ich, unfähig, seinem unschuldigen Blick standzuhalten. »Ich fühle mich nicht wohl hier oben, es gibt nirgends Bücher.«

    Jamie zündete ein Feuer in dem Steinkamin der Bibliothek an und setzte sich in denselben Ledersessel, in dem er am Vorabend gesessen hatte. Ich nahm wieder in dem Sessel gegenüber Platz und knetete nervös meine Hände im Schoß. Auf dem Weg vom Speicher hinunter hatte er keine weitere Frage gestellt. Seine Nachsicht ließ mich noch schuldbewusster werden.

    »Um ehrlich zu sein, Jamie«, begann ich zö gernd, »hat Catchpole mir gesagt, dass er gestern Nacht ein Licht auf dem Dachboden gesehen hat, das dort oben umhergeisterte. Ich habe sofort angenommen, dass Wendy dort hinaufgegangen ist, um …« – ich räusperte mich – »… um etwas zu stehlen.«
    »Wie bitte?«, sagte Jamie. »Ich glaube, ich habe den letzten Teil nicht ganz verstanden.«
    »Ich dachte, sie ist hinaufgegangen, um etwas zu stehlen«, wiederholte ich, lauter diesmal. »Also wollte ich dir beweisen, dass ich recht hatte mit meiner Vermutung, und habe nach Beweisen gesucht. Und keine gefunden.«
    Jamie schürzte die Lippen und wandte den Blick zum Feuer. »Catchpole sagte also, dass er ein Licht gesehen hat, das umhergewandert ist?
    Wie seltsam …«
    »Was ist daran seltsam?«
    »Ich habe keinerlei Absicht, Catchpoles Lauterkeit in Abrede zu stellen, aber ich zweifle dennoch daran, dass er dir die Wahrheit sagte.« Jamie stützte die Ellbogen auf die Armlehnen seines Sessels und legte die Fingerspitzen aneinander. »Gestern hat es so stark geschneit, dass ich die Abtei nicht erkennen konnte, bis er mich mit dem Flintenlauf in den Hof dirigiert hatte – und das war noch bei Tageslicht. Deshalb glaube ich nicht, dass er in der Nacht die Abtei vom Cottage aus sehen konnte.« Er trommelte mit den Spitzen seiner Zeigefinger. »Abgesehen davon gibt es die Baumgruppe. Sein Cottage ist umstanden von Kiefern, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Die Nadelbäume würden auch ohne heftigen Schneefall seine Sicht behindern«, fuhr Jamie fort. »Deshalb ist es mir schleierhaft, wie er ein Licht auf dem Speicher gesehen haben will.«
    »Aber warum sollte er mich belügen?«, fragte ich.
    »Vielleicht haben ihm seine Augen einen Streich gespielt. Oder sein Geist. Wir haben es mit einem Mann zu tun, der fünfzig Jahre lang für eine Frau gearbeitet hat, die wahrscheinlich geisteskrank war. Er glaubt an Gespenster und verbringt die meiste Zeit allein. Er glaubt vielleicht wirklich daran, was er dir erzählt hat, Lori, aber es ist eine andere Wahrheit als das, was wir darunter verstehen.«
    Ich rief mir die nostalgische Fotografie in Erinnerung, die auf Catchpoles Kaminsims stand, die verletzte Eule und die verwaisten Blaumeisen, die in seiner Küche eingezogen waren. Er war ein alter Mann, der in der Vergangenheit lebte und dessen einzige Freunde Vögel waren.
    Vielleicht sah er jede Nacht ein Licht auf dem Dachboden.
    »Denkst du, dass er verrückt ist?«, fragte ich.
    »Schon möglich.« Jamie zuckte die Schultern.
    »Auf der anderen Seite könnte er dich auch absichtlich in die Irre geführt haben, um sich an deiner Verunsicherung zu ergötzen. Er hat bestimmt ein offenes Ohr mit seiner Behauptung gefunden.«
    Ich bedeckte mir das Gesicht mit den Händen.
    »Ich weiß. Ich komme mir wie der letzte Idiot vor. Schließlich war ich in seinem Cottage und habe mit eigenen Augen die

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