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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Kiefern gesehen. Da hätte ich doch bemerken müssen, dass sie seine Sicht auf die Abtei behindern. Aber ich war so erpicht darauf, Wendy eins auszuwischen, weil sie so gemein zu mir ist, dass ich mir alles Mögliche zusammenreimte. Ich bin einfach mal wieder kopflos losgestürmt, wie so oft.« Ich stöhnte.
    »Jetzt habe ich das schreckliche Gefühl, dass ich mich bei Wendy entschuldigen sollte, aber ehrlich gesagt, eher beiße ich mir in die Zunge.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte Jamie. »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Er stand auf. »Bist du hungrig? Zwar bin ich nicht halbwegs so geschickt in der Küche wie Wendy, doch eine Dosensuppe aufzuwärmen schaffe ich schon.«
    »Sollten wir sie fragen, ob sie nicht doch etwas mit uns essen will?«
    »Das habe ich schon, aber sie hat abgelehnt.
    Sie hat es sich mit einem Taschenbuch und einer riesigen Tüte Naschereien in ihrem Bett bequem gemacht. Ich denke nicht, dass wir sie vor morgen früh zu Gesicht bekommen werden.«
    »Gut. Bis dahin werde ich vielleicht auch wieder in der Lage sein, ihr in die Augen zu sehen.«
    Ich stand ebenfalls auf. »Du bist ein viel netterer Mensch, als ich es bin, Jamie. Ich habe mich idiotisch verhalten. Danke, dass du mir meine Dummheit nicht auch noch aufs Butterbrot schmierst.«
    »Gern geschehen.« Jamie kam näher. »Nach dem Abendessen hast du die Gelegenheit, mir deine Dankbarkeit in einer etwas konkreteren Form zu erweisen, wenn du möchtest.«
    Ich öffnete und schloss den Mund mehrere Male, ehe ich hervorbrachte, viel zu salopp allerdings: »Was meinst du denn damit?«
    »Eine Führung durch die Bibliothek. Ich sterbe vor Neugier, endlich in die Tiefen des geheimnisvollen Wissens vorzustoßen, das dort gespeichert ist.«

    »Sehr gern«, sagte ich, fast erleichtert, dass sein Interesse an mir rein intellektueller Natur war.
    Ich streckte die Hand aus, um seine auf akademische Weise zu schütteln, doch als er sie an seine Lippen führte, fühlte ich ein Flattern im Bauch, das weder rein noch intellektuell war.
    Während ich auf mein Zimmer ging, um meine Petroleumlampe zu holen, sagte ich mir, dass kein Grund zur Sorge bestand. Sollten meine natürlichen Impulse außer Kontrolle zu geraten drohen, konnte ich noch immer auf Bills Angebot zurückkommen, ihn im Notfall anzurufen.

    Wir verbrachten einen wunderbaren Abend zusammen. Nachdem wir in den Lampenraum gegangen waren, um unsere Petroleumlampen aufzufüllen, aßen wir Kokosnuss-Ingwer-Suppe, die wir aus der Speisekammer geschnorrt hatten, und tranken dazu eine Flasche Chardonnay, die Jamie aus dem Weinkeller stibitzt hatte. Der goldene Schein unserer Lampen ließ unsere einfache Mahlzeit wie ein Festmahl wirken, und Jamies reizende Konversation lenkte mich von dem deprimierenden Anblick des Schnees ab, der vor den gotischen Fenstern über der Spüle mit neu entfachter Kraft herabfiel.

    Gut gelaunt suchten wir wieder die Bibliothek auf. Jamie hatte bereits in den Regalen herumgestöbert und war voller Fragen über die Bücher, auf die er gestoßen war. Ich zeigte ihm Beispiele verschiedener Arten von Lederbindung – Bücher, die in marmoriertes Kalbsleder gebunden waren, welche mit Kalbsleder mit Borkenprägung und Bücher mit gesprenkeltem Kalbsleder – und beeindruckte ihn außerdem mit meinen Kenntnissen über viktorianische Schriftsteller. Als er auf eine Marmorbüste deutete, die oben auf dem Kartenschrank stand, identifizierte ich sie als Tennyson.
    »Das war auch nicht schwer«, sagte ich und legte eine Hand auf die edle Stirn des Poeta laureatus. »Jeder weiß, wie der gute alte Alfred ausgesehen hat.«
    »Der gute alte Alfred«, wiederholte Jamie kopfschüttelnd. »Das hört sich an, als würdest du jeden Dienstag Krocket mit ihm spielen.«
    Ich lachte. »Weiß Wendy, dass es einen Kartenschrank hier gibt?«
    »Diese Karten würden sie nicht interessieren.
    Sie sind nicht mehr aktuell, und mit ihnen könnte sie wohl kaum eine neue Wanderroute zusammenstellen.«
    »Also hast du den Kartenschrank schon inspiziert«, sagte ich, und als Jamie nickte, fügte ich schelmisch hinzu: »Bist du sicher, dass du alle Karten durchgesehen hast?«
    »Ich habe jede Schublade aufgezogen«, erwiderte er.
    Ich bedeutete ihm, näher zu treten, setzte Lord Tennyson auf den Boden und lüpfte den mit Scharnieren versehenen Deckel des Kartenschranks.
    »Voilà!«, sagte ich überschwänglich. »Die meisten Leute begnügen sich mit den Schubladen und

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