Tante Dimity und der unheimliche Sturm
gibt, die nachts im Haus herumlaufen und laute Geräusche verursachen.«
»Die blöde Wäschetruhe«, murmelte Wendy.
»Woher sollte ich wissen, dass sie über Druckscharniere verfügt?«
Jamie wandte sich wieder mir zu. »Abgesehen davon hatte dir dein Mann bereits zu viel über Lucasta verraten. Also mussten wir uns eine Möglichkeit ausdenken, dich davon abzuhalten, uns bei unserm Plan in die Quere zu kommen.«
Wendy grinste spitzbübisch. »Jamie erklärte sich bereit – wenngleich zähneknirschend –, Sie mit seinen großen braunen Augen zu ködern.
Und ich mich, die Ungehobelte zu spielen. Nach unserem Geplauder gestern Nacht in der Bibliothek hatte ich eigentlich gehofft, dass Sie wütend in Ihr Zimmer stapfen würden, aber Sie wichen keinen Fingerbreit zurück. Sie wollten nicht ins Bett gehen, ohne nochmals einen Blick aus diesen braunen Augen zu erhaschen, hab ich recht?«
»Es sind tatsächlich reizende Augen«, sagte ich mit ironischem Grinsen.
»Ja, wunderschön«, stimmte Wendy mir zu und beschrieb mit dem Arm eine theatralische Geste in der Luft. »Es sind jene Art von Augen, die jeder Frau …«
»Ist schon gut, ihr zwei, es reicht jetzt.« Jamie war bis zum Haaransatz rot geworden. »Es tut mir mehr leid, als ich dir sagen kann, Lori, für den Part, den ich in der Scharade gespielt habe.
Es ist nicht so, dass ich … was ich sagen will, ist, dass es keine Angewohnheit von mir wäre …«
»Es ist okay, Jamie«, unterbrach ich ihn, als mich ein Anflug von Mitleid überkam. »Ich bin ein großes Mädchen. Ich werde es verkraften.
Und was passiert jetzt? Könnt ihr die Parure nicht einfach in einen Schrank tun, und Schwamm drüber?«
»Ich fürchte, dass es nicht ganz so einfach ist.«
Jamie kehrte zu seinem Schreibtischstuhl zurück.
»In einem seiner letzten klaren Momente nahm mir mein Vater das Versprechen ab, die Parure an ihr ursprüngliches Versteck zurückzulegen.«
»Und das ist … wo?« Ich sah ihn erwartungsvoll an.
Er und Wendy tauschten einen vielsagenden Blick.
»Wir sind uns nicht sicher«, sagte er schließ lich. »Der einzige Hinweis, den Vater mir gab – und er machte sich eher in Form von Gesten als in Worten verständlich –, war, dass Wally und er die Parure in einem maßgefertigten Schmuckkasten aus Marmor gefunden haben.«
»Aber in dem Abstellraum auf dem Speicher ist er nicht«, verkündete Wendy. »Gestern Nacht habe ich jedes einzelne Regalbrett dort oben gründlich durchsucht.«
Ich schnappte nach Luft. »Dann hat Catchpole also doch nicht gelogen. Er hat ein Licht im Speicher gesehen.«
»Ich war dort oben, als er die Abtei verlassen hat«, sagte Wendy. »Durchaus möglich, dass er einen Lichtschein in den Oberlichtern in der Decke gesehen hat, wenn er sich auf seinem Weg zum Cottage umdrehte.«
»Er kennt Ladythorne in-und auswendig«, fügte Jamie hinzu. »Die geringste Veränderung würde ihm auffallen, auch im dichtesten Schneesturm.«
Ich warf Jamie einen verdrießlichen Blick zu.
»Dein Gehirn muss auf Hochtouren gearbeitet haben, als du dir alle möglichen Gründe aus-dachtest, warum er unmöglich Licht gesehen haben konnte.«
»Tut mir leid«, sagte Jamie.
Wider meinen Willen musste ich kichern.
»Eins muss ich dir schon lassen, du bist ganz schön schlagfertig. Du hast nicht mit der Wimper gezuckt, als ich das Kartenfach öffnete, obwohl du beim Anblick der Grundrisse am liebsten ge-jubelt hättest.«
»Vielleicht habe ich gelassen gewirkt«, sagte Jamie, »aber mein Herz raste.«
Meins auch, dachte ich und sah schnell auf meine Hände hinab.
»Der Schmuckkasten, in dem die Parure gelegen hatte, ist also nicht auf dem Speicher«, wiederholte Wendy. »Also bleiben uns zwei weit-räumige Flure, die bis zur Decke mit allem möglichen Zeug vollgestopft sind.«
»Ach du meine Güte!«, murmelte ich.
»Keine Angst«, meinte Wendy. »Die Nacht ist noch jung, wenngleich nicht mehr so jung, wie sie vor ein paar Stunden noch war.« Sie sah zu der tickenden Kaminuhr hoch. »Wir haben die Hälfte davon hier vergeudet, indem wir uns mit Ihnen unterhielten.«
»Vergeudet würde ich nicht sagen.« Jamie richtete seine wie Rotwein funkelnden Augen auf mich. »Drei Leute können mehr durchsuchen als zwei. Was meinst du, Lori? Wirst du uns helfen?«
Als ich in seine Augen blickte, sah ich, dass die Bitte nicht nur für Wendy und ihn galt, sondern auch für jene zwei kriegsmüden Soldaten, deren Jagd nach einem Schatz Lucastas Leben für immer
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