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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Desillusion, und spürte einen Anflug von Neid.
    Ich hatte keine Gelegenheit gehabt, irgendwelche Gefühle für meinen Vater zu entwickeln. Er war gestorben, ehe ich das Laufen lernte.
    Meine Mutter war meine Heldin gewesen, und auch wenn sie ebenfalls Geheimnisse vor mir gehabt hatte, so hatte sie doch niemals irgendwelche Sünden auf sich geladen, für die ich nun hätte Abbitte leisten müssen. Ich konnte mich nicht in die Lage meiner beiden Hausgenossen versetzen, aber ich konnte erkennen, wenn Menschen von seelischen Qualen geplagt wurden. Keinen Moment lang zweifelte ich, dass sie die Wahrheit sagten, eine Wahrheit, die zu ertragen für beide unendlich schwer sein musste. Captain Macrae und Corporal Walker hatten nicht nur Lucastas Vertrauen missbraucht, als sie die Parure stahlen.
    Sie hatten auch das Vertrauen ihrer Kinder zerstört.
    Plötzlich verspürte ich das Bedürfnis, aufzustehen und auf mein Zimmer zurückzugehen, Wendy und Jamie allein zu lassen, damit sie ihren ganz persönlichen Akt der Sühne in Ruhe zu Ende bringen konnten, doch Wendy kam mir zuvor, indem sie mit der Geschichte fortfuhr.
    Das Gesicht dem Feuer zugewandt, sprach sie, und statt von ihrem »Vater« zu reden, nannte sie ihn weiterhin bei seinem Vornamen, so als wollte sie sich von seiner Missetat distanzieren.
    »Wally sprach nie über den Krieg«, sagte sie.
    »Wegen seiner Narben auf der Brust wusste ich, dass er verwundet wurde, aber er erzählte mir nie, was passiert war. Nie nahm er an einem Veteranentreffen teil. Nie erzählte er mir von seinem guten Freund James.«
    Jamie bestätigte, dass sich sein Vater ähnlich verschlossen gezeigt hatte.
    »Wie habt ihr dann die Sache mit der Parure herausgefunden?«
    »In meinem Fall hat es mit der Alzheimer-Erkrankung meines Vaters angefangen.« Jamie lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Hände ineinander verschränkt. »Als die Krankheit voranschritt, wurde mein Vater immer besessener von den Erinnerungen an den Krieg. Seine unzusammenhängenden Erzählungen ergaben für mich zwar keinen Sinn, aber ich hörte ihm dennoch zu, weil … weil er mein Vater war.« Jamie atmete ein und ließ die Luft langsam und leicht bebend wieder entweichen. »Es war nicht leicht.
    Immer wieder wollte er Abbitte leisten dafür, dass er ein Mädchen verletzt habe, das er in England kennengelernt hatte, eine Lady Thorne. Er sagte, er habe nichts über ihren Liebsten und ihren Vater gewusst. Zunächst dachte ich, dass er von einem flüchtigen Kriegstechtelmechtel redete, also erwähnte ich sein Gefasel meiner Mutter gegenüber nicht. Ich begriff nicht, dass er einen letzten verzweifelten Versuch machte, ein Geständnis über etwas sehr viel Schwerwiegenderes abzulegen. Dann rief Wendy an.«
    Wendy hatte das vergangene Independence-Wochenende bei ihren Eltern in ihrem Haus auf Long Island verbracht. Am Morgen des vierten Juli läutete das Telefon. Ihr Vater nahm ab und wurde währenddessen von einem schweren Schlaganfall getroffen.
    »Ich fand ihn auf dem Boden liegend, und er brabbelte etwas von seinen Fehlern«, sagte sie.
    »Er ergriff meinen Arm und flüsterte: ›Bring es zurück.‹ Ich dachte, er meinte das Telefon, doch noch ehe ich den Hörer auflegen konnte, starb er.«
    Wendy machte den Anruf für den Tod ihres Vaters verantwortlich. Als sie ihn zurückverfolgte, erfuhr sie, dass er von einem Pflegeheim in Illinois gekommen war. Nach der Beerdigung rief sie die betreffende Nummer an. Jamie nahm ab.
    Es war der Anschluss im Zimmer seines Vaters.
    »Zuerst glaubte ich ihr nicht«, sagte Jamie.
    »Ich dachte, dass mein Vater nicht mehr in der Lage sei, zu telefonieren, aber als sie den Namen Wally erwähnte, horchte ich auf. In dem Gebrabbel meines Vaters war des Öfteren der Name Wally, ein Soldat, gefallen. ›Bring es zurück, Wally‹, sagte mein Vater immer wieder. ›Wir müssen es zurückbringen.‹«
    »Die gleichen Worte, die Wally mir ins Ohr flüsterte, ehe er starb.« Wendy schlang die Arme enger um die Knie. »Zwei alte Veteranen, die die gleichen Worte sagten – das musste doch etwas bedeuten. Hatten sie einander gekannt? Was musste zurückgebracht werden? Hatte es etwas zu tun mit dieser Frau, dieser Lady Thorne?«
    »Wir mussten Antworten finden«, sagte Jamie. »Und dafür mussten wir in der Vergangenheit wühlen.«
    Anhand von Armeeunterlagen fanden sie heraus, dass James und Wally zusammen gedient hatten, gleichzeitig verwundet worden waren und dass Ladythorne keine Frau war,

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