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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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sondern ein Genesungsheim für verwundete Soldaten in England. Weitere Nachforschungen führten Wendy zu elf verwundeten amerikanischen Offizieren, die gegen Kriegsende ebenfalls in Ladythorne waren. Alle elf Männer erinnerten sich an James und Wally. Auch schilderten sie ihr in den prächtigsten Farben, wie herrlich und komfortabel der Aufenthalt in dem Herrenhaus gewesen sei. Über den Skandal, der währenddessen aufkam, sagten sie jedoch nichts.
    »Gleichzeitig fand ich die Briefe«, fuhr Jamie fort. »Vater bewahrte all seine Kriegserinnerungen in einem Koffer auf dem Speicher auf. Eines Tages, als ich den Koffer untersuchte, bemerkte ich darunter eine lockere Bodendiele. In der Öffnung unter der Diele lagen zwei Munitionsschachteln. Und die enthielten Hunderte von Briefen. Ihr Inhalt war voller Hass, boshafte, gehässige Behauptungen, geschrieben von einer Frau namens Lucasta DeClerke.« Jamie ließ den Kopf gegen die Rückenlehne sinken und starrte an die Decke. »Ich glaube nicht, dass Vater von Lucastas Vater und ihrem Verlobten gewusst hatte, erst durch ihre Briefe erfuhr er von deren Tod, doch wie sie gestorben waren, offenbarten sie nicht, denn Lucasta verzichtete auf jegliche Details.«
    »Wir wussten nichts davon, bis Catchpole uns gestern beim Mittagessen davon erzählte«, warf Wendy ein. »Zu hören, dass ihr Verlobter ebenfalls Soldat gewesen, dass er in Dünkirchen gefallen war und dass ihr Vater während eines Bombenangriffs ums Leben gekommen war – das hat mir den Appetit verdorben.«
    »Mir auch.« Jamie runzelte die Stirn. »Ich bin sicher, dass Vater niemals die Parure gestohlen hätte, wenn er gewusst hätte, welche Opfer Lucasta in ihrem jungen Leben bereits erbracht hatte.«
    Ein leichter Ton der Unsicherheit schwang in Jamies Bemerkung mit und sagte mir, dass er sich über gar nichts mehr sicher war. Hätte sein Vater anders gehandelt, wenn er das ganze Ausmaß von Lucastas Leid erfasst hätte? Jamie würde es nie erfahren. Ich rief mir ins Gedächtnis zurück, wie still er plötzlich geworden war, als Catchpole von Lucastas Geist sprach. Vielleicht, so überlegte ich, spürte Jamie den ruhelosen Geist, der in diesem Haus herrschte. Vielleicht hatte er das Gefühl, als hätte er es verdient, von einem Albdruck verfolgt zu werden.
    »Lucasta hatte auch an Wally geschrieben«, sagte Wendy. »Als Jamie die Briefe an James erwähnte, erinnerte ich mich wieder daran, dass auch Wally Briefe bekommen hatte. Sie sahen genauso aus wie jene, die unter dem Dielenbrett auf James’ Speicher gelegen hatten – elfenbeinfarbene Umschläge, die Adresse handgeschrieben, ausländische Briefmarken. Doch Wally stopfte sie ungeöffnet in unseren Holzofen.«
    »Vater hingegen hat jeden einzelnen aufbewahrt«, fuhr Jamie fort. »Sie halfen mir zu verstehen, was er mir sagen wollte. Während ich sie las, begriff ich, dass er verzweifelt versuchte, mir klarzumachen, dass er und Wally die Parure gestohlen hatten.«
    »Wally hingegen hatte Lucastas Briefe nicht schnell genug verbrennen können.« Wendy streckte die Beine aus, griff nach dem Schürhaken und stocherte energisch in der Glut herum.
    »Er war zu feige, um der Wahrheit ins Auge zu blicken, außerdem wollte er niemals, dass ich davon erfuhr.«
    Welcher Vater würde das wollen?, überlegte ich mir. Kein Vater würde wollen, dass seine Tochter von seinen Verfehlungen erfuhr, insbesondere, wenn sie ihn so rückhaltlos anbetete, wie Wendy es vermutlich getan hatte. Plötzlich empfand ich so etwas wie Mitleid mit Wally.
    Wie hätte er sich einer Tochter anvertrauen können, von der er nur ein strenges Urteil erwarten konnte? Wie hätte er riskieren können, von dem Podest gestoßen zu werden, auf den sie ihn gestellt hatte?

    Wendy ließ sich mit dem Rücken wieder an die Ottomane sinken, so als wäre ihr Wutausbruch erloschen. »Wir fanden heraus, dass Lucasta jedem Einzelnen geschrieben hatte, jedem der amerikanischen Soldaten, die sich in Ladythorne aufhielten, als der Diebstahl stattfand.
    Die meisten Soldaten dachten, dass sie verrückt sei, aber es gab auch ein paar wenige, die sich nicht so sicher waren.«
    Da die Militärbehörden sich weigerten, den Anschuldigungen auf den Grund zu gehen, hatte Lucasta die Sache in die eigene Hand genommen.
    Den Rest ihres Lebens brachte sie damit zu, den Männern Briefe zu schreiben, die sie verdächtigte, die Parure gestohlen zu haben. Sie verfluchte die Diebe. Sie versicherte ihnen, dass sie niemals Profit aus

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