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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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verboten, sich um Fragen, die das Seelenheil angingen, zu kümmern. Er erlaubte ihm auch weiterhin, bei den Nachbarn, die sich die Gelenke verrenkt hatten, als Knochendoktor zu fungieren, unter der Bedingung, daß er nicht versuchte, jene Kranken zu heilen, die ins Krankenhaus gebracht werden müßten. Die Art und Weise, wie es Pater Seferino Huanca Leyva gelang – Fliegen, die den Honig riechen, Pelikane, die den Fisch entdecken –, die Kleinen in seinen unansehnlichen Kindergarten zu locken, war wenig orthodox und brachte ihm die erste ernste Verwarnung der Kurie ein. Er gab bekannt, daß die Kinder für jede Woche Anwesenheit ein Heiligenbildchen als Geschenk erhalten sollten. Dieser Köder wäre für die kraftlose Horde von Bettelkindern, die er zu motivieren versuchte, völlig unzureichend gewesen, wenn die euphemistischen »Heiligenbildchen« des Burschen aus Chirimoyo nicht in Wirklichkeit Bilder nackter Frauen gewesen wären, die schwerlich mit Heiligen Jungfrauen zu verwechseln waren. Den Müttern, die sich über seine pädagogischen Methoden wunderten, versi cherte der Priester feierlich, daß die »Heiligenbildchen« ihre Kinderchen, wenn es auch wie eine Lüge klinge, von dem unkeuschen Fleisch fernhielten und sie weniger ungezogen, zahmer, schläfriger machten.
    Um die Mädchen des Viertels zu gewinnen, bediente er sich der Neigungen, die aus der Frau die erste biblische Sünderin gemacht hatten, und der Dienste von Mayte Unzâtegui, die ebenfalls als Helferin in der Gemeinde eingegliedert war. Diese – Weisheit, die nur zwanzig Jahre Regentschaft in den Bordellen von Tingo Maria hervorbringt – verstand es, sich die Zuneigung der Mädchen durch Unterrichtsstunden zu gewinnen, die sie amüsierten. Sie lehrte sie, sich Lippen, Wangen und Augenbrauen anzumalen, ohne sich Schminke in der Drogerie kaufen zu müssen; wie man sich mit Watte, kleinen Kissen und selbst mit Zeitungspapier Brüste, Hüften und künstliche Popos fabrizieren konnte und wie man die modischen Tänze Rumba, Huaracha, Porro und Mambo tanzte. Als der Inspekteur der kirchlichen Obrigkeit die Gemeinde besuchte und in der weiblichen Abteilung des Kindergartens sah, wie die Gören abwechselnd das einzige Paar hochhackiger Schuhe anzogen und sich unter der schulmeisterlichen Aufsicht der ehemaligen Kupplerin in den Hüften wiegten, rieb er sich die Augen. Als er schließlich die Sprache wiedergefunden hatte, fragte er Pater Seferino, ob er eine Schule für Prostituierte gegründet habe: »Die Antwort lautet ja«, antwortete der Sohn der schwarzen Teresita, ein Mann, der das Wort nicht fürchtete. »Da ihnen ja doch nichts anderes übrig bleiben wird, als diesen Beruf auszuüben, sollen sie ihn wenigstens gekonnt ausüben.« (Dafür erhielt er die zweite ernste Verwarnung der Kurie.) Aber es trifft keineswegs zu, daß Pater Seferino, wie seine Verleumder schließlich behaupteten, der große Zuhälter von Mendocita war. Er war nur ein realistischer Mann, der das Leben ganz genau kannte. Er förderte die Prostitution nicht, sondern versuchte nur, sie schicklicher zu machen, und lieferte stolze Schlachten, um zu verhindern, daß die Frauen, die sich ihr Leben mit ihrem Körper verdienten (alle in Mendocita zwischen zwölf und sechzig Jahren), sich den Tripper zuzogen und von Zuhältern ausgebeutet wurden. Die Ausrottung der zwanzig Zuhälter des Viertels (in manchen Fällen gelang ihre Läuterung) war eine heldenhafte Aufgabe, diente der sozialen Gesundheit und brachte Pater Seferino mehrere Messerstiche und eine Belobigung vom Bürgermeister von Victoria ein. Er wandte dabei seine Philosophie der bewaffneten Predigt an. Durch Jaime Concha ließ er öffentlich ausrufen, Gesetz und Religion verböten, daß die Männer wie Drohnen auf Kosten untergeordneter Wesen lebten und daß darum jeder Bürger, der Frauen ausbeute, es mit seinen Fäusten zu tun bekomme. Auf diese Weise mußte er dem Großen Margarina Pacheco den Unterkiefer aushaken, Padrillo ein Auge einschlagen, Pedrito Garrote impotent machen, Macho Sampedri zum Idioten prügeln und Cojinoba Huambachano mit violetten Blutergüssen versehen. Während dieser quijotesken Kampagne wurde er eines Nachts überfallen und von Messerstichen zerfetzt. Die Angreifer hielten ihn für tot und ließen ihn, den Hunden zum Fraß, im Schmutz liegen. Aber die Lebenskraft dieses darwinischen Burschen war stärker als die rostigen Messerklingen, die ihn zerstochen hatten, und er kam mit einem halben

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