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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Abtreiberin Dona Angelica, hartnäckig wie er schon vor seiner Geburt war, allnächtlich seine Kameraden, indem er ihnen versicherte, daß der manuelle Akt von Gott erfunden worden sei, um die Geistlichen für ihre Keuschheitsgelübde zu entschädigen und auf jeden Fall, um sie erträglich zu halten. Die Sünde, so argumentierte er, bestehe in der Lust, die das Fleisch der Frau bot oder (perverser) das fremde Fleisch. Aber warum sollte sie in der demütigen, einsamen und unproduktiven Erleichterung liegen, in der Finger und Phantasie sich zusammentaten? In einem Aufsatz, der im Unterricht des ehrwürdigen Paters Leoncio Zacarfas verlesen wurde, unterstellte Seferino Huanca Leyva sogar, indem er zweideutige Episoden des Neuen Testaments interpretierte, daß es Gründe für die Hypothese gebe, selbst Christus habe gelegentlich – vielleicht, nachdem er Magdalena kennengelernt hatte – die Versuchung, unkeusch zu werden, mit Masturbation bekämpft, und man könne sie nicht als an den Haaren herbeigezogen abtun. Pater Zacarfas erlitt einen Ohnmachtsanfall, und der Schützling der baskischen Pianistin war drauf und dran, wegen Gotteslästerung aus dem Seminar ausgestoßen zu werden. Er bereute, bat um Verzeihung, tat alle Bußen, die ihm auferlegt wurden, und eine Zeitlang unterließ er es, jene unvernünftigen Dinge zu verbreiten, die seine Lehrer fiebern machten und die Seminaristen erhitzten. Aber was seine eigene Person anging, unterließ er es nicht, sie in die Praxis umzusetzen, denn sehr bald hörten seine Beichtväter ihn wieder sagen, sobald er im knirschenden Beichtstuhl niederkniete: »In dieser Woche bin ich der Geliebte der Königin von Saba, von Daliiah und der Gemahlin des Holofernes gewesen.« Dieser Spleen war es, der ihn um eine Reise brachte, die seinen Geist bereichert hätte. Er war gerade geweiht worden, und da Seferino Huanca Leyva trotz seiner heterodoxen Grübeleien ein außerordentlich fleißiger Schüler gewesen war und niemand jemals das Vibrieren seiner Intelligenz angezweifelt hatte, beschlossen seine Obersten, ihn zur Erlangung der Doktorwürde auf die Gregorianische Universität in Rom zu schicken. Sofort verkündete der brillante Priester – Gelehrte, die erblinden, wenn sie die verstaubten Manuskripte der Vatikanischen Bibliothek durchforschen –, er werde eine Arbeit erstellen, die er »Das einsame Laster als Zitadelle der kirchlichen Keuschheit« betiteln wollte. Da sein Projekt zornig abgelehnt wurde, verzichtete er auf die Reise nach Rom und begrub sich in der Hölle von Mendocita, aus der er niemals mehr herauskommen sollte. Er selbst wählte das Viertel, als er erfuhr, daß alle Priester Limas es wie die Pest fürchteten; nicht so sehr wegen seiner Mikroben konzentration, die aus seiner hieroglyphischen Topographie aus sandigen Gehwegen und Hütten aus viel fältigen Materialen – Pappe, Wellblech, Kokosmatten, Holzplatten, Lappen und Zeitungspapier – ein Laborato rium der raffiniertesten Formen von Infektion und Parasitose machten, sondern wegen der sozialen Gewalttätigkeit, die in Mendocita herrschte. Das Elends viertel war damals tatsächlich eine Universität des Verbrechens, mit proletarischen Spezialitäten: Einbruch, Diebstahl, Prostitution, Messerstecherei, kleine Betrüge reien, Handel mit Koks und Zuhälterei.
    Pater Seferino Huanca Leyva baute eigenhändig in wenigen Tagen eine Hütte aus Lehmziegeln, in die er keine Tür einsetzte, brachte ein Bettgestell aus zweiter Hand und eine Strohmatratze dorthin, die er auf dem Flohmarkt gekauft hatte, und verkündete, daß er jeden Tag um 7 Uhr eine Messe unter freiem Himmel abhalten werde. Er ließ auch wissen, daß er von montags bis sonnabends die Beichte abnehmen werde, für die Frauen von z bis 6 Uhr und für die Männer von 7 Uhr bis Mitternacht, um Promiskuität zu vermeiden. Er gab auch bekannt, daß er vormittags von 8 bis 12 Uhr einen Kindergarten einrichten wolle, wo die Kleinen des Viertels das Alphabet, das Rechnen und den Katechismus lernen sollten. Sein Enthusiasmus zerbrach an der Realität. Seine Kundschaft bei der Morgenmesse bestand aus kaum einer Handvoll triefäugiger Greise und Greisinnen, mit nachlassender Körperbeherrschung, die gelegentlich, ohne daß es ihnen bewußt war, jene unsaubere Sitte der Leute eines gewissen Landes (bekannt durch seine Rinder und durch seine Tangos) praktizierten, nämlich zu furzen und während des Gottesdienstes ihre Notdurft in die Kleider zu verrichten. Was die

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