Tante Julia und der Kunstschreiber
in den letzten zehn Stunden Geborenen, das noch nicht getauft sei, bemächtigte sich ein Gefühl des Stolzes aller Gläubigen, und die Obrigkeit schickte ihm dieses Mal unter den vielen Verwarnungen Worte der Anerkennung. Dagegen rief er einen Skandal hervor, als er anläßlich des Festes der Heiligen Rosa, der Schutzpatronin von Lima, in einer Predigt unter freiem Himmel auf dem Fußballfeld von Mendoctia der Welt verkündete, daß es innerhalb der staubigen Grenzen seines Amtsbereichs kein Paar gebe, dessen Vereinigung nicht vor Gott und dem Altar seiner Adobehütte abgesegnet worden sei. Überrascht, denn sie wußten sehr gut, daß im ehemaligen Imperium der Inkas die wilde Ehe die festgefügteste und meistgeachtete Institution war – Kirche und Heer ausgenommen –, kamen die Prälaten der peruanischen Kirche (mit schlurfenden Schritten?), um dieses Wunderwerk persönlich zu überprüfen. Was sie fanden, als sie in den promiskuösen Behausungen von Mendocita herumschnüffelten, erschreckte sie zu Tode und hinterließ einen Nachgeschmack von Sakramentsverhöhnung. Die Erklärungen von Pater Seferino kamen ihnen abstrus vor und wie Rotwelsch (der Bursche von Chirimoyo hatte nach so vielen Jahren im Elendsviertel das saubere Spanisch des Seminars vergessen und alle Barbarismen und Idiotismen des Jargons von Mendocita übernommen), und der Exkurpfuscher und Expoli-zist Lituma war es, der ihnen das System erklärte, mit dem sie das Konkubinat ausgerottet hatten. Es war gotteslästerlich einfach. Es bestand darin, alle Paare, die zusammenlebten oder zusammenleben wollten, vor den Evangelien zu legalisieren. Die Paare beeilten sich nach dem ersten ergötzlichen Beisammensein, sich von ihrem geliebten Priester trauen zu lassen, wie es Gott befiehlt, und Pater Seferino erteilte ihnen, ohne sie mit impertinenten Fragen zu belästigen, die Sakramente. Da auf diese Weise viele Bürger mehrfach verheiratet waren, ohne vorher verwitwet zu sein – aeronautische Geschwindigkeit, mit der die Paare des Viertels sich auflösten, sich mischten und wieder zusammenfügten –, glich Pater Seferino die Verwirrung, die dadurch im Bereich der Sünden entstand, durch die reinigende Beichte wieder aus. (Er hatte dies mit dem Sprichwort erklärt, das nicht nur ketzerisch, sondern auch noch vulgär war: Ein Geschwür deckt das andere!) Seiner Autorität enthoben, gerügt, beinahe vom Erzbischof geohrfeigt, beging Pater Seferino Hu-anca Leyva aus diesem Anlaß einen hohen Gedenktag: die ernste Verwarnung Nummer 100.
So, zwischen verwegenen Unternehmungen und öffentlichen Verweisen, Zielscheibe von Polemiken, geliebt von den einen und geächtet von den anderen, erreichte Pater Seferino Huanca Leyva das blühende Alter von fünfzig Jahren. Er war ein Mann mit breiter Stirn, Adlernase, durchdringendem Blick von Güte und aufrechter Gesinnung, den die Überzeugung aus den verheißungsvollen Tagen seiner Seminaristenzeit, daß die eingebildete Liebe keine Sünde sei, vielmehr ein mächtiger Schutz für die Keuschheit, tatsächlich keusch erhalten hatte, als – Schlange des Paradieses, die die wollüstigen, allgegenwärtigen Formen des Weibes voller aufreizender Flitter annimmt – eine niederträchtige Frau, die sich Mayte Unzâtegui nannte und als Sozialarbeiterin ausgab (tatsächlich war sie, wie letztlich jede Frau, nur ein Freudenmädchen), in den Stadtteil Mendocita kam.
Sie sagte, sie habe in den Urwäldern von Tingo Maria aufopfernd gearbeitet, den Eingeborenen Parasiten aus den Bäuchen gezogen und sei sehr widerstrebend von dort geflohen, weil ein Rudel fleischfressender Ratten ihr Kind aufgefressen habe. Sie war von baskischem und daher aristokratischem Blute. Obwohl ihre schwellenden Formen und ihr wabbeliger Gang ihn auf die Gefahr hätten aufmerksam machen müssen, beging Pater Seferino Huanca Leyva – Anziehungskraft des Abgrunds, der monolithische Tugenden hat stürzen sehen – die Dummheit, sie als Helferin aufzunehmen, da er glaubte, sie wolle tatsächlich, wie sie vorgab, Seelen retten und Parasiten töten. In Wirklichkeit wollte sie ihn zur Sünde verführen. Sie setzte ihr Vorhaben in die Praxis um, indem sie in die Adobehütte einzog. Dort schlief sie auf einem Bettgestell, das durch eine lächerliche kleine Gardine, die noch dazu durchsichtig war, von seinem Bettgestell getrennt war. Nachts machte die Verführerin beim Licht einer Kerze Gymnastik unter dem Vorwand, so schlafe sie besser und erhalte sieh einen gesunden
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