Tante Julia und der Kunstschreiber
Organismus. Aber konnte man diesen Haremstanz aus Tausendundeiner Nacht schwedische Gymnastik nennen, wenn die Baskin auf der Stelle die Hüften schwenkte, die Schultern erzittern ließ, die Beine anzog und streckte, die Arme drehte und der keuchende Kirchenmann durch die vom Widerschein der Kerze erleuchtete Gardine ein aufreizendes chinesische Schattenspiel wahrnahm? Und später, wenn die Leute von Mendocita schon in tiefem Schlaf lagen, besaß Mayte Unzâtegui die Dreistigkeit, wenn sie das Knirschen des Nachbarbettes hörte, mit honigsüßer Stimme zu fragen: »Sind Sie noch wach, Paterchen?«
Es stimmt, daß die schöne Verführerin, um ihn zu täuschen, zwölf Stunden täglich arbeitete; sie impfte, heilte Krätze, desinfizierte die Höhlen der Armen und führte alte Leute spazieren. Aber sie tat es in Shorts, Beine und Schultern, Arme und Taille waren unbekleidet; sie gab an, sie habe sich im Urwald daran gewöhnt, so herumzulaufen. Der Pater dehnte seine schöpferische Seelsorge weiter aus, aber er magerte zusehends ab, hatte Ringe unter den Augen, und sein Blick suchte ohne Unterlaß Mayte Unzâtegui. Und wenn er sie vorbeigehen sah, öffnete sich sein Mund, und ein Faden geilen Speichels befeuchtete seine Lippen. Zu dieser Zeit gewöhnte er sich an, Tag und Nacht mit den Händen in den Taschen herumzugehen, und seine Pfarrhelferin, die ehemalige Abtreiberin Dona Angelica, prophezeite ihm, er werde demnächst Blut spucken wie ein Tuberkulosekranker.
Würde der Hirte den niederträchtigen Versuchungen der Sozialarbeiterin unterliegen, oder würden ihm seine schwächenden Gegenmaßnahmen helfen, ihr zu widerstehen? Würden diese ihn in die Irrenanstalt oder ins Grab bringen? Mit sportlichem Interesse verfolgten die Gläubigen von Mendocita diesen Kampf und stellten Wetten auf, mit knappen Fristen und delikaten Alter nativen: die Baskin würde vom Priestersamen schwanger werden; der Mann von Chirimoyo würde sie töten, um die Versuchung zu töten, oder er würde den Habit an den Nagel hängen und sie heiraten. Selbstverständlich schickte sich das Leben an, sie alle mit einer gezinkten Karte auszustechen.
Mit dem Argument, man müsse zur Kirche der Frühzeit, zu der einfachen Kirche der Evangelisten zurückkehren, in der alle Gläubigen zusammenlebten und ihre Güter untereinander teilten, begann Pater Seferino energisch eine Kampagne, um in Mendocita – dem wahren Laboratorium für christliche Experimente – das gemeinschaftliche Leben wiederherzustellen. Die Paare sollten in Kollektiven von fünfzehn oder zwanzig Mitgliedern aufgehen, die untereinander die Arbeit, die Lebenshaltung und die häuslichen Pflichten teilten und in Häusern zusammenlebten, die diesen neuen sozialen Lebenszellen, die das klassische Paar ersetzen sollten, angepaßt waren. Pater Seferino ging mit gutem Beispiel voran. Er vergrößerte seine Hütte und nahm darin neben der Sozialarbeiterin auch seine beiden Pfarrhelfer auf, den ehemaligen Wachtmeister Lituma und die ehemalige Abtreiberin Dona Angelica. Diese Mikrokommune war die erste in Mendocita, deren Beispiel entsprechend sich die anderen konstituieren sollten.
Pater Seferino forderte, in jeder katholischen Gemein schaft solle die totale demokratische Gleichheit zwischen den Mitgliedern gleichen Geschlechts herrschen. Die Männer und Frauen sollten sich jeweils untereinander duzen, aber, um die von Gott aufgestellten Unterschiede der Muskulatur, Intelligenz und des reinen Menschen verstandes nicht zu vergessen, riet er den Weibern, die Männer zu siezen und zu versuchen, ihnen als Zeichen ihres Respekts nicht in die Augen zu sehen. Die Aufgaben des Kochens, Fegens, des Wassertragens, des Vernichtens von Kakerlaken und Mäusen, das Wäschewaschen und die anderen häuslichen Tätigkeiten sollten reihum erledigt werden und das von jedem Mitglied auf gute oder auf böse Art verdiente Geld voll und ganz der Gemeinschaft über geben werden, die es ihrerseits, nachdem die gemeinsamen Kosten gedeckt waren, zu gleichen Teilen zurückgab. Die Wohnungen sollten keine
Wände haben, damit die sündige Gewohnheit der Geheimnis krämerei ausgerottet werde, und alle Lebens äußerungen von der Entleerung der Gedärme bis zum sexuellen Kuß sollten sich vor den Augen aller vollziehen.
Bevor die Polizei und das Heer mit einem kinoreifen Aufwand an Karabinern, Gasmasken und Bazookas in Mendocita einrückten und jenen großen Fischzug taten, der Männer und Frauen des Viertels nicht für das,
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