Tante Julia und der Kunstschreiber
Selbst seine Mutter – eine unansehnliche Engländerin, die, obwohl sie ein Vierteljahrhundert in Peru lebte, noch immer die Präpositionen verwechselte – sah in ihrem langen, dunklen Kleid und ihrer abgestuften Frisur wie eine attraktive Dame aus. Es stimmte also doch, dachte Dr. Quinteros, wer immer strebend sich bemüht… Der Rothaarige Antûnez hatte sich um Elianita seit ihrer Kindheit bemüht, hatte sie mit seinen Aufmerksamkeiten belagert, die sie stets mit hoheitsvoller Verachtung entgegen genommen hatte. Aber er hatte alle Bosheiten und Ungezogenheiten Elianitas ertragen und auch die schlimmsten Spaße, mit denen die Jungen der Nachbarschaft seine Ergebenheit kommentierten. Ein hartnäckiger Bursche, dachte Dr. Quinteros, er hat erreicht, was er wollte. Da stand er nun, blaß vor Erregung, und ließ den Reif auf den Ringfinger des schönsten Mädchens von Lima gleiten. Die Zeremonie war zu Ende, und Dr. Quinteros schritt inmitten einer lärmenden Menge zu den Nebenräumen der Kirche, grüßte mit dem Kopf nach rechts und links, als er Richard neben einer Säule stehen sah, als wollte er sich angewidert von den Menschen absondern.
Während er wartete, um das Brautpaar zu begrüßen, mußte Dr. Quinteros ein Dutzend Witze über die Regierung anhören, die die Brüder Febre erzählten, Zwillinge, die sich so sehr glichen, daß es hieß, selbst ihre eigenen Frauen könnten sie nicht voneinander unterscheiden. Die Menge war so groß, daß der Salon zu bersten drohte. Viele Menschen waren in den Gärten geblieben und warteten, bis sie eintreten könnten. Ein Schwärm von Kellnern lief herum und bot Champagner an. Man hörte Gelächter, Scherze, Hochrufe, und alle meinten, die Braut sei wunderschön. Als Dr. Quinteros endlich zu ihr vordrang, war Elianita trotz der Hitze und des Gedränges noch wohlbehalten und frisch. »Tausend Jahre Glück, meine Kleine«, sagte er und umarmte sie, und sie flüsterte ihm ins Ohr: »Charito hat mich heute morgen aus Rom angerufen, um mir Glück zu wünschen. Ich habe auch mit Tante Mercedes gesprochen. Wie lieb von ihnen, mich anzurufen.« Der Rothaarige Antûnez , schwitzend und rotangelaufen wie ein Krebs, sprühte vor Glück: »Soll ich jetzt Onkel zu Ihnen sagen, Don Alberto?« »Natürlich, mein Neffe«, Dr. Quinteros klopfte ihm auf die Schulter, »und du mußt mich duzen.«
Halb erstickt verließ er den Hochzeitssalon, und unter den Blitzlichtern der Photographen, unter Grüßen und Gedränge erreichte er den Garten. Dort war die Menschenansammlung nicht ganz so groß, und er konnte wieder frei atmen. Er trank ein Glas Champagner und sah sich von einer Runde befreundeter Ärzte umgeben, die ihn mit nicht enden wollenden Spaßen über die Reise seiner Frau aufzogen. Mercedes werde nicht zurückkommen, sie werde mit irgendeinem Franzmann auf und davon gehen, auf seiner Stirn begännen schon die Hörnchen zu sprießen. Während er mit ihnen lachte, dachte Dr. Quinteros, daß er wohl heute an der Reihe sei, veräppelt zu werden – dabei dachte er an den Sportclub. Hin und wieder sah er über ein Meer von Köpfen hinweg am anderen Ende des Salons inmitten lachender junger Leute Richard. Ernst und mit gerunzelter Stirn trank er den Champagner, als wäre er Wasser. Vielleicht schmerzt es ihn, daß Elianita den Antûnez geheiratet hat, dachte er; bestimmt hat auch er sich einen brillanteren Mann für seine Schwester gewünscht. Ach nein, wahrscheinlich war es eine dieser vorübergehenden Krisen. Dr. Quinteros erinnerte sich, in Richards Alter auch eine schwere Zeit durchgemacht zu haben, als er zwischen Medizin und Raumfahrttechnik schwankte. (Sein Vater hatte ihn mit einem schwerwiegenden Argument überzeugt: In Peru hatte ein Raumfahrtingenieur keine anderen Aufgaben, als sich mit dem Bau von Drachen oder Modellflugzeugen zu beschäftigen.) Vielleicht war Roberto, stets in seine Geschäfte vertieft, nicht in der Lage, Richard zu beraten. Und Dr. Quinteros nahm sich in einer dieser spontanen Regungen, die ihm allgemeine Zuneigung eingebracht hatten, vor, an einem der nächsten Tage seinen Neffen einzuladen und mit dem gebotenen Zartgefühl den Weg auszukundschaften, auf dem er ihm helfen könnte.
Das Haus von Roberto und Margarita lag in der Avenida Santa Cruz, wenige Blocks von der Kirche Santa Maria entfernt, und nach dem Empfang im Hochzeitssalon der Kirche wanderten die zum Essen geladenen Gäste unter den Bäumen und der Sonne von San Isidro zu dem für das Fest
Weitere Kostenlose Bücher