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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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bei dem es sehr schwerfiel, das en face vom en profil zu unterscheiden, half ihm dabei), die es ihm erlaubte, den Eindruck zu machen, als blickte er zum Altar, während er tatsächlich mit den Augen an jenen wolkigen Talaren hing, diesen gestärkten Flocken, die den Körper der Geliebten umhüllten. Schwester Fâtima unterbrach hin und wieder – Atempause, die sich der Athlet erlaubt, um seine Kräfte zu verdoppeln – ihre Gebete, hob den Blick zum (kreuzesworträtselumwobenen?) Altar und erkannte dann davor die Gestalt von Crisanto. Ein unmerkliches Lächeln erschien auf dem schneeweißen Antlitz der kleinen Nonne, und in ihrem zarten Herzen regte sich aufs neue ein feines Empfinden, wenn sie den Freund ihrer Kindheit erkannte. Ihre Augen trafen sich, und in diesen Sekunden – Schwester Fâtima fühlte sich gezwungen, den Blick zu senken –sagten sie sich Dinge, die selbst die Engel im Himmel erröten ließen (?), denn – ja! ja! – dieses Mädchen, das auf so wunderbare Weise von den Rädern des von dem Arzneimittelvertreter Lucho Abril Marroquin gesteuerten Wagens gerettet worden war und das aus Dankbarkeit gegenüber der Jungfrau von Fâtima Nonne geworden war, entwickelte in der Einsamkeit ihrer Zelle mit der Zeit die reinste Liebe zu dem Sänger von Barrios Altos.
    Crisanto Maravillas hatte sich darein geschickt, daß er seine Geliebte nicht fleischlich besitzen, sondern nur auf diese erhabene Weise in der Kapelle mit ihr in Kontakt treten konnte. Aber niemals akzeptierte er den Gedanken – grausam für einen Mann, dessen einzige Schönheit seine Kunst ist –, daß Schwester Fâtima seine Musik, diese Lieder, zu denen sie ihn, ohne es zu wissen, inspirierte, nicht hören sollte. Er hatte den Verdacht – Sicherheit für jeden, der einen Blick auf die mächtige Befestigung des Konvents warf –, daß seine Serenaden, die er ihr seit zwanzig Jahren jeden Morgen ohne Furcht vor einer Lungenentzündung sang, seiner Geliebten nicht zu Ohren kamen. Eines Tages begann Crisanto Maravillas, religiöse und mystische Themen in sein Repertoire aufzunehmen: die Wunder der Santa Rosa, die Großtaten (zoologische?) von San Martin de Porres, Legenden der Märtyrer und Geschichten von der Verdammung des Pilatus wurden den volkstümlichen Liedern zugesellt. Das tat seiner Popularität keinerlei Abbruch, gewann ihm vielmehr eine neue Legion von begeisterten Anhängern: Priester und Mönche, Nonnen, die Acciön Catölica. Die kreolische Musik wurde veredelt, mit Weihrauch parfümiert, mit heiligen Themen gespickt und überwand allmählich die Mauern, die sie in den Salons und Clubs festhielt; man konnte sie nun auch an Orten hören, wo sie früher unvorstellbar gewesen war: in Kirchen, bei Prozessionen, in Klöstern und Priesterseminaren. Zehn Jahre brauchte der schlaue Plan, aber er hatte Erfolg. Das Kloster der Barfüßigen Schwestern konnte das Angebot nicht ablehnen, das ihm eines Tages gemacht wurde, und mußte zulassen, daß der von den Gläubigen gehätschelte Barde, der Dichter der Kongregationen, der Musiker der Kreuzwege, in ihrer Kapelle und ihrem Kloster eine Gesangsvorstellung zugunsten der Mission in Afrika abhielt. Der Erzbischof von Lima –purpurne Weisheit und Gehör des Kenners – ließ wissen, daß er die Vorstellung erlaube und für ein paar Stunden die Klausur suspendiere, damit die Barfüßigen Schwestern sich an der Musik ergötzen könnten. Mit seinem Hof von Würdenträgern wollte er selbst an dem Liedervortrag teilnehmen. Das Konzert, Ereignis der Ereignisse in der Stadt der Vizekönige, fand an dem Tag statt, an dem Crisanto Maravillas die Blüte seiner Jahre (die Fünfzig?) erreichte. Er war ein Mann mit durchdringender Stirn, breiter Nase und Adlerblick, von Güte und aufrechter Gesinnung und einer körperlichen Gestalt, die seine moralische Schönheit widerspiegelte. Obwohl man – Vorsorgemaßnahmen des Individuums, die die Gesellschaft dann zerreibt – persönliche Einladungen verschickt und bekanntgegeben hatte, daß niemand ohne eine solche an dem Ereignis teilnehmen könne, setzte sich das Gewicht der Fakten durch: die Polizeikette, kommandiert von dem berühmten Wachtmeister Lituma und seinem Adjutanten, dem Hauptmann Jaime Concha, wich vor der Menge zurück, als wäre sie eine Papiergirlande. Die Menschenmassen hatten sich seit der vorhergehenden Nacht dort versammelt, überschwemmten den Ort und drangen in ehrerbietiger Haltung in Zellen, Gänge, Treppen und Vestibüle ein. Die

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