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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Familie auch bis zu diesem Grad der Wut gereizt war. Sie sprachen etwa eine Stunde miteinander. Er war nicht zornig, sondern traurig, besorgt, verwirrt. Javier bestätigte ihm, daß wir ganz legal verheiratet seien, und versicherte ihm, daß auch er versucht habe, mich davon abzubringen, aber vergeblich. Onkel Lucho empfahl uns, so schnell wie möglich nach Lima zurückzukommen, um den Stier bei den Hörnern zu packen und zu versuchen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. »Das größte Problem ist dein Vater, Varguitas«, schloß Javier seinen Bericht. »Die übrige Familie wird sich nach und nach daran gewöhnen. Aber er speit Feuer. Du kennst den Brief nicht, den er dir dagelassen hat!«
    Ich schalt ihn, daß er fremde Briefe las, und sagte, wir würden sofort nach Lima zurückfahren, gegen Mittag würde ich ihn in seinem Büro besuchen oder ihn anrufen. Während sie sich anzog, erzählte ich Tante Julia alles, verheimlichte ihr nichts, versuchte aber, die Dinge zu mildern.
    »Was mir nicht gefällt, ist der Revolver«, meinte Tante Julia. »Ich nehme an, mich möchte er erschießen, oder? Hör mal, Varguitas, ich hoffe, mein Schwiegervater wird mich nicht mitten in den Flitterwochen erschießen. Und der Unfall? Armer Javier! Armer Pascual! In welche Schwie rig keiten haben wir die beiden mit unseren Verrücktheiten gebracht!« Sie war keineswegs erschrocken, auch bereute sie nichts. Sie sah sehr glücklich und entschlossen aus, allen Schwierigkeiten zu begegnen. Ich fühlte mich genauso. Wir bezahlten das Hotel, tranken unseren Milchkaffee auf der Plaza de Armas, und eine halbe Stunde später waren wir wieder auf der Landstraße in einem alten Bus Richtung Lima. Fast auf dem ganzen Weg küßten wir uns auf den Mund, die Wangen, die Hände, flüsterten uns ins Ohr, daß wir uns liebten, und spotteten über die unruhigen Blicke der Fahrgäste und des Chauffeurs, der uns durch den Rückspiegel beobachtete.
    Gegen 10 Uhr morgens kamen wir in Lima an. Es war ein grauer Tag, der Nebel ließ Häuser und Menschen gespenstisch erscheinen, alles war feucht, und man hatte das Gefühl, Wasser einzuatmen. Beim Haus von Tante Olga und Onkel Lucho stiegen wir aus. Bevor wir läuteten, drückten wir uns noch einmal fest die Hände, um uns Mut zu machen. Tante Julia war ernst geworden, und ich fühlte, wie mir das Herz schneller schlug.
    Onkel Lucho öffnete uns höchstpersönlich. Er lächelte, aber es sah schrecklich gezwungen aus; er küßte Tante Julia auf die Wange und gab auch mir einen Kuß.
    »Deine Schwester liegt noch im Bett, aber sie ist wach«, sagte er zu Tante Julia und deutete auf das Schlafzimmer. »Geh nur hinein.«
    Er und ich setzten uns in den Salon, von dem aus man, wenn es nicht so neblig war, das Jesuitenseminar, den Malecôn und das Meer sehen konnte. Jetzt waren die Mauern des Priesterseminars und seine Dachterrasse aus roten Ziegeln nur verschwommen zu erkennen.
    »Ich werde dir nicht die Ohren langziehen, denn dafür bist du schon etwas zu groß«, murmelte Onkel Lucho. Er war wirklich niedergeschlagen, und man sah ihm an, daß er die Nacht nicht geschlafen hatte. »Ahnst du wenigstens, in was du dich da eingelassen hast?«
    »Es war die einzige Möglichkeit zu verhindern, daß man uns trennt«, antwortete ich mit Sätzen, die ich vorbereitet hatte. »Julia und ich lieben uns. Wir haben keine Dummheit begangen. Wir haben es wohl überlegt und sind unserer Sache ganz sicher. Ich verspreche dir, wir werden es schon schaffen.« »Du bist ein dummer Junge, hast keinen Beruf, hast überhaupt nichts, du wirst die Universität verlassen und dich totarbeiten müssen, um deine Frau zu ernähren«, flüsterte Onkel Lucho, steckte sich eine Zigarette an und wiegte den Kopf. »Du hast dir ganz allein die Schlinge um den Hals gelegt. Niemand ist damit einverstanden, denn in der Familie haben alle gehofft, aus dir würde einmal etwas werden. Es ist schrecklich, mitansehen zu müssen, wie du einer Laune wegen in die Mittelmäßigkeit abrutschst.«
    »Ich werde mein Studium nicht aufgeben und die Universität beenden, ich werde dasselbe weitertun, was ich ohne zu heiraten getan hätte«, versicherte ich ihm heftig. »Du mußt mir glauben und alles tun, daß auch die Familie mir glaubt. Julia wird mir helfen, jetzt werde ich mit viel mehr Lust studieren und arbeiten.«
    »Als erstes muß dein Vater beruhigt werden, er ist außer sich«, sagte Onkel Lucho, plötzlich sanft geworden. Er hatte seine Pflicht getan und

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