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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Schreiber-Medium zu organisieren. Der hatte auch eingewilligt, uns aber mit klimatologischen Vorwänden mehrere Wochen hingehal ten: Man müsse unbedingt bestimmte Mondphasen, Wechsel der Gezeiten und noch speziellere Faktoren abwarten, denn die Seelen schienen empfindlich auf Feuchtigkeit, Sternkonstellationen und Winde zu reagieren. Nun war endlich der Tag gekommen.
    Es war ein ziemliches Unternehmen, die Wohnung des Schreiber-Mediums, eine schäbige, in den Hinterhof eines Blocks am Jirón Cangallo geklemmte Behausung, zu finden. Die Person war in Wirklichkeit sehr viel weniger interessant als in Javiers Berichten. Sechzigjährig, Junggeselle, glatzköpfig, nach Einreibeöl riechend, hatte er einen Rinderblick und eine so eingefleischt banale Redeweise, daß niemand seine Vertraulichkeit mit den Geistern vermutet hätte. Er empfing uns in einem heruntergekommenen, speckigen Raum und bot uns einige Wasserkekse, kleine Stücke Käse und ein sparsames Gläschen Pisco an. Bis um 12 Uhr erzählte er uns in konventioneller Weise seine Erfahrungen mit dem Jenseits. Es hatte angefangen, als er vor zwanzig Jahren Witwer wurde. Der Tod seiner Frau hatte ihn in eine untröstliche Niedergeschlagenheit versetzt, bis ihn eines Tages ein Freund rettete, indem er ihm den Weg des Spiritismus wies. Das war das Wichtigste, was ihm je in seinem Leben geschehen war:
    »Nicht nur, weil man auf diese Weise Gelegenheit hat, die geliebten Wesen zu hören und zu sehen«, sagte er in einem Ton, als berichtete er von einer Taufe, »sondern weil es ablenkt. Die Stunden vergehen, ohne daß man es merkt.« Wenn man ihm zuhörte, gewann man den Eindruck, als sei das Sprechen mit den Toten im Grunde genommen vergleichbar mit dem Ansehen eines Films oder eines Fußballspiels (nur offensichtlich weniger amüsant). Seine Version des Lebens nach dem Tod war erschreckend alltäglich und demoralisierend. Den Erzählungen nach zu urteilen, gab es überhaupt keine »Qualitätsunterschiede« zwischen dem Jenseits und dem Erdenleben. Seine Geister wurden krank, verliebten sich, sie heirateten, sie vermehrten sich, sie reisten. Der einzige Unterschied lag darin, daß sie nie starben. Ich warf Javier tödliche Blicke zu, als es 12 Uhr schlug. Der Schreiber ließ uns um einen Tisch Platz nehmen (kein runder, sondern ein viereckiger Tisch), er löschte das Licht und befahl uns, die Hände zusammenzulegen. Ein paar Sekunden Schweigen, und, nervös vom langen Warten, hoffte ich, nun werde es interessant werden. Die Seelen kamen, und der Schreiber fing an, sie mit der gleichen häuslichen Stimme die langweiligsten Dinge der Welt zu fragen: »Wie geht es dir, Zoilita? Ich freue mich, dich zu hören; ich bin hier mit meinen Freunden; es sind nette Leute; sie möchten sich mit deiner Welt in Verbindung setzen, Zoilita. Was? Ich soll sie grüßen? Warum nicht, Zoilita, selbstverständlich. Sie sagt, ich soll Sie herzlich grüßen, und wenn Sie können, mögen Sie hin und wieder für sie beten, damit sie schneller aus dem Fegefeuer herauskommt.« Nach Zoilita kamen eine Reihe Verwandter und Freunde, mit denen der Schreiber einen ähnlichen Dialog abhielt. Alle waren sie im Fegefeuer, alle schickten sie uns Grüße, alle baten um Gebete. Javier wünschte, er solle jemanden rufen, der in der Hölle war, damit uns unsere Zweifel vergingen. Aber das Medium erklärte, ohne einen Augenblick zu zögern, dies sei unmöglich, die von dort könne man nur an den ersten drei Tagen eines ungeraden Monats rufen, und man höre ihre Stimmen kaum. Javier bat, mit seiner Amme sprechen zu können, die seine Mutter, ihn und seine Brüder aufgezogen hatte. Dona Gumercinda erschien, schickte Grüße, sagte, daß sie sich an Javier mit viel Herzlichkeit erinnere und bereits ihr Bündel schnüre, um das Fegefeuer zu verlassen und vor den Herrn zu treten. Ich bat den Schreiber, meinen Bruder Juan zu rufen, und erstaunlicherweise (ich hatte keinen Bruder) kam er und ließ mir durch das wohlwollende Medium sagen, daß ich mich nicht um ihn sorgen solle, er sei bei Gott und bete immer für mich. Von dieser Nachricht beruhigt, verlor ich das Interesse an der Sitzung und schrieb in Gedanken meine Erzählung über den Senator. Ein geheimnisvoller Titel fiel mir ein: »Das unvollständige Gesicht«. Während Javier den Schreiber unermüdlich bat, irgendeinen Engel oder wenigstens irgendeine historische Figur wie Manco Câpac anzurufen, entschied ich, der Senator solle sein Problem am Ende durch eine

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