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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Wachtmeister!«
    »So ist es, mein Junge.« Lituma nickte und dachte an den Neger.
    »Mit so einer Frau langweilt man sich nie, Herr Wachtmeister.« Manilas leckte sich die Lippen.
    Er begleitete Lituma bis zur Avenida Buenos Aires, und sie verabschiedelen sich. Während er bis an die Grenze von Bellavista weiterging – Galle Vigil, Plaza de la Guardia Chalaca –, eine lange Strecke, auf der er gewöhn lich anfing müde zu werden, dachte der Wachtmeister an den Neger. War er aus dem Irrenhaus entlaufen? Aber das Larco Herrera war so weit entfernt, daß irgendein Polizist oder Streifenwagen ihn gesehen und festgenommen haben müßte. Und die Narben? Hatte man ihm die mit dem Messer beigebracht? Oje, oje, das mußte schmerzen, wie langsam im Feuer braten. Daß man jemandem Wunde auf Wunde zufügen konnte, bis das ganze Gesicht von Striemen durchzogen war! Donnerwetter! Und wenn er so geboren worden war? Es war noch finstere Nacht, doch man spürte schon die Anzeichen des Morgens: Autos, der eine oder andere Lastwagen, die Silhouetten von Frühaufstehern. Der Wachtmeister fragte sich, warum er, der so viele seltsame Typen gesehen hatte, sich eigentlich um den nackten Kerl Gedanken mache. Er zog die Schultern hoch. Reine Neugier, so beschäftigt man während der Runde den Geist.
    Er hatte keine Schwierigkeiten, Zârate zu treffen, einen Polizisten, der mit ihm in Ayacucho gedient hatte. Er traf ihn, den Bericht schon fertig und unterschrieben. Nur ein Zusammenstoß ohne Verletzte, nichts Wichtiges. Lituma erzählte ihm die Geschichte von dem Neger, und das einzige, was Zârate daran Spaß machte, war die Episode mit den Sandwichs. Er hatte es mit der Philatelie, und während er den Wachtmeister einige Blocks weiter begleitete, erzählte er ihm, daß er an diesem Morgen ein paar dreieckige Marken aus Äthiopien bekommen habe, mit Löwen und Schlangen, grün, rot und blau, die außerordentlich selten waren und die er für fünf wertlose Argentinier eingetauscht habe.
    »Aber wahrscheinlich halten die sie für sehr wertvoll«, unterbrach ihn Lituma.
    Zârates Tick, den er sonst gutmütig ertrug, machte ihn heute ungeduldig, und er war froh, als sie sich trennten. Ein bläulicher Glanz zeichnete sich am Himmel ab, und aus dem Schwarz stiegen geisterhaft, grau, rosafarben die Gebäude von Callao auf. Fast trabend zählte der Wachtmeister die Blocks, die ihm noch bis zur Wache fehlten. Aber dieses Mal, gestand er sich, hatte er es nicht eilig, weil er von der Nachtschicht und seinem langen Marsch müde war. Er wollte vielmehr den Neger noch einmal sehen. »Vielleicht glaubst du, alles war nur ein Traum, Lituma, und der nackte Kerl existiert überhaupt nicht.« Aber er existierte. Da lag er und schlief verschränkt wie ein Knoten auf dem Boden der Zelle. Der Taschendieb war am anderen Ende des Raumes wieder eingeschlafen und hatte noch den Ausdruck des Schreckens auf dem Gesicht. Auch die anderen schliefen. Hauptmann Concha bäuchlings auf dem Stapel Comic-Hefte und Camacho und Arévalo Schulter an Schulter auf der Bank im Eingang. Lituma betrachtete den Neger eine ganze Weile, seine hervorstehenden Knochen, sein krauses Haar, seine große Schnauze, seinen verwaisten Zahn, seine tausend Narben, die Schauer, die über seinen Körper liefen. Wo bist du nur hergekommen, Zambo, dachte er. Schließlich übergab er dem Hauptmann, der ein Paar geschwollener und rot unterlaufener Augen öffnete, den Bericht: »Ist der Mist endlich rum«, sagte er mit klebrigem Mund. »Ein Tag Dienst weniger, Lituma.«
    Und auch ein Tag Leben weniger, dachte der Wacht meister. Er verabschiedete sich, die Hacken zusammen schlagend. Es war 6 Uhr früh, und er war frei. Wie immer ging er zum Markt zu Dona Gualberta, um eine heiße Suppe, ein paar Empanadas, Bohnen mit Reis und Milchspeise zu essen. Dann ging er in die Calle Colön in das Zimmerchen, in dem er wohnte. Er fand nicht gleich in den Schlaf, und als er endlich eingeschlafen war, träumte er sofort von dem Neger. Er sah ihn von Löwen und roten, grünen und blauen Schlangen umzingelt im Herzen Abessi niens mit Zylinder, Stiefeln und einer Dompteurpeitsche. Die Bestien machten Männchen im Takt seiner Peitsche, und eine Menschenmenge, die zwischen Lianen, Baum stämmen und Blattwerk hockte und sich am Gesang der Vögel und am Geschrei der Affen erfreute, applaudierte heftig. Aber statt einer Verbeugung zum Publikum kniete der Neger nieder, streckte die Hände in bittender Gebärde aus, Tränen

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